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Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Saal verlässt, kommt er auf mich zu.
    »Herr Hartmann, die Lage hat sich geändert. Ihre Kollegen tippen jetzt ihre Artikel über dieses Hotel. Wenn Sie mit Ihrer großen Geschichte noch eine Rolle spielen wollen, sollten Sie mir jetzt den Text geben. Wenn wir ihn heute noch ins Layout einfließen lassen, sind wir die Ersten. Und Sie wären noch vor Ihrer Kollegin dran, denn Annes Text ist noch nicht fertig. Wenn Sie also jetzt so freundlich wären?« Er streckt seine Hand aus.
    Ich greife in meine Hosentasche. Anne oder Schade – das ist hier die Frage.
    Nein, ist es nicht.
    »Tut mir leid, ich dachte, ich hätte den Artikel eingesteckt, aber ich muss ihn wohl vergessen haben«, lüge ich meinem Chef ins Gesicht.
    Er sieht mich länger an als gewöhnlich. »Wollen Sie ihn denn noch holen?«, fragt er mit väterlicher Stimme.
    Ich lächle ihn erleichtert an. »Nein, das will ich nicht.«
    Mein Chef ist zu sehr Profi, um in diesem Ambiente herumzuschreien, dass ich ihm verdammt noch mal einen Text schulde. Stattdessen sagt er ruhig: »Sie wurden gerade auf der Bühne mit der Besitzerin des Hotels fotografiert. Wahrscheinlich stehen Sie übermorgen in allen Zeitungen als Botschafter eines obskuren Trends, der möglicherweise eine Katastrophe für den regionalen Tourismus nach sich ziehen wird. Was glauben Sie, wie es um Ihre Glaubwürdigkeit als Journalist steht?«
    Dann macht er auf dem Absatz kehrt und lässt mich stehen. Ein paar Kollegen versuchen noch, mich zu interviewen, aber mir hat es endgültig die Sprache verschlagen.
    Wahrscheinlich sollte ich es so machen wie Anne damals: einfach ins Spa gehen. Allerdings werde ich das erst spätabends machen, wenn die Kinder und Eltern aus dem Nassbereich in den Bettenbereich verschwunden sind.
    Ich muss mich zusammenreißen. Vielleicht ist das alles ja Schicksal: Ein Familienhotel und ich – das konnte gar nicht gut gehen, ebenso wenig wie die Sache zwischen Anne und mir. Es würde mich nicht wundern, wenn heute Abend Adoré an meine Tür klopft – reinlassen werde ich sie diesmal allerdings nicht.
    Ab zehn Uhr abends hat der Bademeister das Spa zu einer »freien Zone« erklärt. »Ich habe keine Lust, Gäste, die sich entspannen, aus dem Spa zu vertreiben. Wer auf der Liege einschläft, soll aufwachen, wenn er ausgeschlafen hat«, hat er mir anvertraut. »Die meisten Pärchen versuchen in Hotels eh früher oder später, nackt schwimmen zu gehen, deshalb lasse ich die Tür einfach offen.«
    Mein erstes Ziel ist die finnische Holzsauna, mit der habe ich noch eine Rechnung offen. Wahrscheinlich bin ich diesmal ganz allein darin, ohne jemanden, der mich raustragen kann, wenn ich umfallen sollte. Ich werfe einen Blick durch die verschwommene Glastür. In der Sauna hocken noch zwei Gäste: Mr. Perfect und mein Chef, Herr Schade. Seltsam.
    Was die beiden wohl zu besprechen haben? Vielleicht will Mr. Perfect meinen Chef davon überzeugen, mal ein Sonderheft über seine Fitnesskette herauszubringen. Jetzt stehen sie auf. Instinktiv ducke ich mich hinter einen Handtuchständer in der Nähe der Liegen. Nicht, dass ich mich verstecken will oder so – ich habe bloß keine Lust, mit den beiden zu reden. Außerdem scheinen sie mir eh schon erstaunlich vertraut.
    Nachdem sie sich kurz und schnaufend abgeduscht haben, begeben sie sich auf zwei Liegen direkt vor meinem Versteck.
    Das Grinsen, das sich während der Pressekonferenz heute Nachmittag auf ihren Gesichtern angedeutet hat, liegt immer noch in den Mundwinkeln.
    »Du hättest Hartmanns Augen sehen sollen, als der gemerkt hat, was los ist«, freut sich mein Chef grinsend. Mr. Perfect haut sich auf den mit einem Frotteehandtuch bedeckten Schenkel, was den erwarteten Klatscher ein wenig dämpft.
    »Die habe ich gesehen«, steigt er ein. »Deshalb musste ich mich ja hinsetzen – sonst hätte ich noch laut losgeprustet. Hartmann hat geschaut, als würde er gleich von der Bühne kippen.«
    »Dann hättest du ihn wohl noch mal tragen müssen!«, gackert mein Chef.
    Mr. Perfect steht auf und tut so, als ob er jemanden hochheben und ihn kurz darauf versehentlich fallen lassen würde. Schade bekommt vor Lachen kaum noch Luft. Aber was ich hören muss, als sich Mr. Perfect wieder gesetzt hat, haut mich tatsächlich fast aus den Frotteelatschen.
    Die beiden haben Übles vor: Mein Chef plant, das Hotel zu übernehmen und vom Familienressort in eine »Männerbastion« umzubauen. Mr. Perfect soll Teilhaber und neues Gesicht des

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