Dreikönigsmord (German Edition)
somit schon mehr als zwei Jahre heiratsfähig. War sie denn einem Mann versprochen?« Sehr merkwürdig, dieses niedrige Heiratsalter … Katrein hatte ihr davon berichtet …
»Mein Gatte fand, dass Anna bald heiraten sollte. Aber ich wollte sie gerne noch eine Weile bei mir haben. Anna war zufrieden mit ihren Pflichten im Haus. Sie war glücklich bei uns.«
Jo hatte ihre Zweifel, ob Anna dies auch so empfunden hatte und ob sie sich nicht manchmal nach ein bisschen Spaß und Aufregung gesehnt hatte. Schließlich war sie ja noch so jung gewesen. »Gab es denn Bewerber für Eure Tochter?«
»Jörg Schreiber wollte Anna gern als Ehefrau für seinen zweiten Sohn Constantin gewinnen. Aber mein Gatte schätzt Jörg nicht sehr. Deshalb war er gegen eine Heirat.«
Schon wieder Schreiber … Jo bemühte sich, ihre Überraschung zu verbergen. »Mochte Anna denn diesen Constantin?« Ob sie sich etwa heimlich mit ihm getroffen hat?, ging es Jo durch den Kopf.
»Die beiden haben sich bei Festen gesehen und ein bisschen miteinander geschäkert, wie das so üblich ist. Aber ich bin davon überzeugt, dass es für Anna nichts Ernstes war.«
Frau Baumgarten hatte Anna immer nur als ihr kleines Mädchen gesehen. Von ihr würde sie – was Annas etwaige Ausbruchsversuche und Verliebtheiten betraf – nichts erfahren, das ihr weiterhalf, war Jo überzeugt. Also versuchte sie es anders: »Hatte Anna denn eine gute Freundin? Wenn ja, würde ich mit diesem Mädchen gern einmal sprechen.«
Frau Baumgarten nickte. »Elisabeth, die Tochter von Meister Rudolf in der Blaufärbergasse. Aber sie wird Euch auch nicht mehr erzählen können als ich.«
Das bezweifelte Jo nun doch sehr. Etwas anderes fiel ihr noch ein: »Die Kleider, die Anna trug, als sie ermordet wurde – waren sie intakt? Ich meine, unversehrt?«
»Ja, natürlich.« Frau Baumgarten begriff nicht, worauf sie hinauswollte.
»Ich müsste die Kleider untersuchen.«
»Was soll das? Wie kommt Ihr dazu, nach der Kleidung unserer Tochter zu fragen?« Eine aufgebrachte Männerstimme ließ Jo und Annas Mutter zusammenzucken. Im nächsten Moment trat Conrad Baumgarten in das Zimmer. »Warum bist du aus der Stube verschwunden?«, fuhr er seine Frau an. »Meinst du nicht, dass du es Anna schuldig bist, jetzt für sie da zu sein und die Beleidsbezeugungen unserer Trauergäste entgegenzunehmen?«
Seine Frau sank in sich zusammen. »Ich habe mit Josepha Weber gesprochen, weil sie Annas Mörder finden will«, sagte sie hilflos.
Conrad Baumgarten fuhr zu Jo herum und funkelte sie so wütend an, dass sie schon glaubte, er wolle sie schlagen. »Wie könnt Ihr es wagen, meiner Gattin einen derartigen Unsinn zu erzählen?«, herrschte er sie an. »Habt Ihr denn überhaupt keinen Respekt vor unserem Leid? Verschwindet sofort aus unserem Haus.«
Jo stand auf. »Es tut mir aufrichtig leid. Bitte glaubt mir, ich wollte Eure Gefühle auf keinen Fall verletzen.«
Annas Vater beachtete sie nicht länger und ging auf den Flur hinaus. »Nun komm schon!« Ungeduldig bedeutete er seiner Frau, ihm zu folgen.
Jo wich zurück, um ihr Platz zu machen. Während Frau Baumgarten an ihr vorbeihuschte, hörte sie sie leise sagen: »Beim Abfall hinter dem Haus.« Dann war sie auch schon zur Tür hinaus. Jo benötigte einige Momente, um zu begreifen, was sie ihr hatte sagen wollen.
Am Morgen hatte Lutz Peter in der Wachstube im südlichen Stadtturm gefunden. So, wie der Soldat an dem zerschrammten Tisch saß – den Stuhl zurückgekippt, die Beine auf die Platte gelegt und das schmuddelige Lederwams bis zur Brust aufgeknöpft –, hätte er auch gut als Sheriff in einem Western posieren können. Nur hätte in diesem Fall ein Gewehr statt einem Schwert hinter ihm an der Wand gelehnt, und er hätte keinen Pergamentbogen in der Hand gehalten, sondern ein Blatt Papier oder eine zerknitterte Zeitung.
»Grüß dich, Lutz.« Peter warf das Pergament lässig auf den Tisch. »Ich bin ja im Allgemeinen kein großer Freund der hohen Herren. Aber unser Bischof weiß wenigstens, dass Soldaten hin und wieder neue Waffen brauchen. In dem Schreiben verspricht er uns Geld für neue Kettenhemden und Dolche.«
»Schön.« Lutz setzte sich ihm gegenüber. In die Armlehnen seines Stuhls waren diverse obszöne Zeichnungen eingeritzt. »Habt ihr mittlerweile irgendetwas über den Mord an Anna Baumgarten herausgefunden?«
»Nein, und das macht mir Sorgen.« Peter seufzte. »Der Mord an diesem Jungen, Frowin, hat ja niemanden
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