Dreikönigsmord (German Edition)
einen Kittel, und seine Füße waren nackt.
Nun erst schien der junge Mann zu registrieren, dass jemand zu ihm gekommen war, und sah Jo und Lutz an. »Ich habe geschlossen und verkaufe nichts«, sagte er matt.
Lutz stellte sich breitbeinig vor ihn. »Ihr seid Bernward?«
»Ja, natürlich …«
»Wir wollen nichts von Euch kaufen. Wir wollen mit Euch über Anna reden.«
Etwas Farbe kehrte in die Wangen des jungen Töpfers zurück. »Wer seid Ihr – und wer schickt Euch?«, fuhr er auf.
»Das tut nichts zur Sache«, sagte Jo besänftigend, die sich neben ihm platziert hatte. »Beantwortet bitte einfach nur unsere Fragen.«
»Ich denke überhaupt nicht daran!« Bernward wollte aufspringen. Doch Lutz packte ihn an den Schultern und drückte ihn grob auf den Schemel. Übertrieben langsam blickte er sich in der ärmlichen Stube um. »Anna war wohl ziemlich über Eurem Stand, hm? Ihr habt wohl gehofft, durch die Heirat mit ihr den großen gesellschaftlichen Aufstieg zu schaffen und das alles hier hinter Euch zu lassen?«
»Nein, das stimmt nicht.« Bernward schüttelte schwerfällig den Kopf. »Ich habe Anna geliebt. Sie hat die Sonne in mein Leben gebracht. Aber ich habe niemals geglaubt, dass ich sie heiraten könnte.«
Lutz stieß ein verächtliches Lachen aus. »So, Ihr habt sie also geliebt, aber um sie kämpfen wolltet Ihr nicht?«
»Was hätte ich ihr denn zu bieten gehabt im Vergleich mit einem Leben, das sie als Frau eines reichen Händlers oder Handwerkers geführt hätte?« Bernward stöhnte auf. »Ich wollte, dass Anna glücklich ist. Früher oder später hätte sie es bestimmt bereut, sich für mich entschieden zu haben.«
»Und was war mit Anna?«, schaltete Jo sich wieder ein. »Wie hat sie das gesehen?«
»Manchmal hat sie gesagt, dass sie mit mir weglaufen wolle. Aber sie war ja noch so jung. Sie wusste nicht, wie das Leben ist.«
Der Altersunterschied zwischen ihm und Anna hat bestimmt wenig mehr als sechs Jahre betragen, dachte Jo. Aber wahrscheinlich ist Bernwards Leben sehr viel härter als ihres verlaufen.
Lutz blickte ihn nachdenklich an. »Soll ich Euch sagen, was ich glaube? Ich glaube, Anna hatte Euch satt. Sie hatte begriffen, dass sie mit Euch keine Zukunft haben würde. Vielleicht wart Ihr ja auch von Anfang an nur ein Spiel für sie. Ihr konntet es nicht ertragen, dass sie Euch verlassen wollte und dass sie bald einem anderen Mann gehören würde. Ihr seid völlig ausgerastet … Ähm, Ihr habt völlig den Verstand verloren und sie getötet.«
»Nein, nein …« Bernward schrie gequält auf und begann zu zittern. Seine Verzweiflung wirkte echt. »Ich hätte Anna niemals etwas antun können. Eher hätte ich mich selbst getötet.«
Jo legte ihm die Hand auf die Schulter. »Beruhigt Euch. Habt Ihr irgendeine Idee, wer Anna umgebracht haben könnte?«
»Seit ich von Annas Tod gehört habe, zermartere ich mir darüber ständig den Kopf. Ich habe keine Ahnung.«
»Habt Ihr Anselm gekannt, den jungen Mann, der manchmal für die Töpferin Gwendolin arbeitete?«
»Anselm?« Bernward starrte Lutz verblüfft an. »Nur vom Sehen. Aber ich mochte seine Arbeit. Gwendolin hat mir einmal Sachen gezeigt, die er getöpfert hat.«
Ihm mitzuteilen, dass auch Anselm ermordet worden war, würde sie kaum weiterbringen, sondern Bernward nur noch zusätzlich verwirren. Deshalb fragte Jo: »Könnte Jörg Schreiber hinter dem Mord an Anna stecken?«
Bernward fuhr sich erschöpft über das Gesicht. »Ich glaube nicht, dass er von unserer Liebe wusste. Außerdem – warum hätte er Anna töten sollen und nicht mich?«
»Hätte er Euch verwechselt haben können? Ihr seid beide blond. Anna trug Jungenkleidung …«
»Ich bin größer als Anna.« Bernward schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch er brach plötzlich ab.
»Was habt Ihr?«
Er schüttelte den Kopf. »In den letzten Wochen, als Anna und ich zusammen waren, hatte ich ein-, zweimal das Gefühl, dass uns jemand beobachtete. Anna hat mich ausgelacht. Sie war so viel mutiger als ich.«
Jo tauschte einen raschen Blick mit Lutz. »Könnt Ihr Euch noch erinnern, wo Ihr diesen Eindruck hattet?«
Bernward runzelte nachdenklich die Stirn. »Einmal in der Nähe meines Hauses. Und einmal auf der Wiese, wo Anna schließlich …« Seine Stimme versagte.
»Habt Ihr beide Euch denn öfter auf dieser Wiese getroffen?«, übernahm Lutz nach einigen Momenten wieder das Gespräch.
»Ja, gelegentlich, denn sie ist nicht weit entfernt von der
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