Dreiländermord
hatten.« Küpper
lachte ins Telefon. »Lassen wir Wenzel, wo er ist. Erzähl mir lieber, was du heute
getan hast.«
»Gerne, aber zuvor will ich noch wissen, warum Wenzel mit mir sprechen
wollte und wie er darauf kam, dass ich Schmitz sei.« Teilweise konnte er sich denken,
was passiert war.
Wie ihm Küpper bestätigte, hatte Ömmes nach ihrem Telefonat bei der
Polizei Alarm geschlagen. Außerdem hatte irgendjemand aus der Nachbarschaft an der
Einsteinstraße das Kennzeichen des dort fremden Autos notiert.
»So schnell kommt dann die Polizei dank aufmerksamer Mitbürger auf
potenzielle Einbrecher. Und jetzt erzähl endlich!«
Bei seinem nächsten Telefonat steckte Böhnke
einen gewaltigen Rüffel ein. Seine Lebensgefährtin konnte überhaupt kein Verständnis
für ihn aufbringen.
»Du bist mehr tot als lebendig und geisterst
durch die Weltgeschichte, als müsstest du alle Verbrechen in diesem Universum gleichzeitig
aufklären«, schimpfte Lieselotte. Er habe sich gefälligst zu schonen, viel zu schlafen
und sich nicht körperlich anzustrengen. »Du stirbst noch früh genug, Rudolf-Günther.
Lass es langsamer angehen!« Aus der Schimpfkanonade war im Laufe der Sätze eine
Bitte geworden. Seine Frau meinte es gut mit ihm, wusste Böhnke, aber sie musste
eigentlich auch wissen, dass er immer Kommissar bleiben würde, auch im Ruhestand,
bis zu seinem letzten Atemzug.
»Einen Wunsch habe ich«, fuhr die Apothekerin
bittend fort. Sie wiederholte sich zwar, jedoch musste sie es erneut vorbringen.
»Wenn ich am Wochenende komme, bist du nur für mich da. Und ich will kein Wörtchen
über irgendein Verbrechen hören. Versprochen, Commissario?«
»Versprochen!«
Heute brauchte er sich nicht an sein Versprechen zu halten. Interessiert
nahm er nach Beendigung des Telefonats die nicht besonders gute Kopie des Abschiedsbriefes
zur Hand.
›Ich habe mein Werk vollbracht. Das Spiel ist aus. Es ist Zeit für
mich zu gehen‹, hatte der Pastor geschrieben.
Böhnke hatte andere Sätze erwartet, nicht diese Floskeln, eher ein
religiös begründetes Schreiben, wie es zu einem Theologen passen würde. Nachdenklich
heftete er das Blatt im Ordner ab.
10.
Böhnke brachte es tatsächlich fertig, an den beiden freien Tagen mit
seiner Liebsten kein einziges Wort über seine unergiebige Ermittlungstätigkeit zu
verlieren; mehr noch, er ließ keinen Gedanken daran zu und widmete sich ganz ihrer
Zweisamkeit.
Erst nach der Rückkehr von Lieselotte am Sonntagabend nach Aachen konzentrierte
er sich auf das, was er wusste, und verstärkt auf das, was er nicht wusste. Die
Erkenntnis, nur über eine Kette zusammenhangloser Ereignisse zu verfügen, war ziemlich
das einzige wesentliche Faktum. Oder welche Rolle sollte es spielen, dass ein ermordeter
Lebensmittelgroßhändler aus Düren, ein Geistlicher aus Kelmis, der sich selbst getötet
hat, und ein verunglückter Autoingenieur aus Roermond allesamt Junggesellen waren?
Das war die einzige Gemeinsamkeit, die die drei Toten verband. Bei einem schwulen
Kaufmann war dabei die ledige Lebenssituation genauso erklärlich wie bei einem katholischen
Pastor aus Belgien. Der Pastor und der Journalist hatten ebenfalls eine Gemeinsamkeit:
Sie hatten Selbstmord begangen und bei beiden war der Tod durch Strangulation eingetreten.
Dieser Umstand brachte allerdings ebenfalls nicht viel, um eine sinnvolle Verknüpfung
herzustellen.
Es sei denn … Böhnke blätterte durch seine Notizen und fand endlich
die Daten, die er suchte. Der Pastor hatte erst nach Gefferts Kontaktaufnahme und
nach dessen Selbstmord sich das Leben genommen. Aber welcher Zusammenhang sollte
da bestehen?
Und was schließlich ein ermordetes Mädchen vor rund zehn Jahren, ein
toter Strichjunge vor acht Jahren und eine vor drei Jahren im Hohen Venn verstorbene
Frau aus Ostende miteinander zu tun haben sollten, das herauszufinden, überstieg
sogar das Vorstellungsvermögen eines Kommissars a. D. Aus diesen Anhaltspunkten
einen Fall zu konstruieren, das kann eigentlich nur ein Krimischreiber, dachte Böhnke
sich, in der Realität sind die Todesfälle nicht miteinander verbunden. Doch dann
erinnerte er sich an den immer wieder aufs Neue bestätigten Spruch, dass die Realität
weitaus mehr Überraschungen bereithält als die Fantasie.
Angenehm von der Wirklichkeit überrascht wurde Böhnke bei seinem routinemäßigen
Arztbesuch in Aachen. Wenn er so weitermache, könne er in den Polizeidienst zurück,
lobte ihn der Internist nach
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