Dreiländermord
besten Pommes frites seines durchaus langen Lebens.
Sümmerling hatte mit ihm extra einen Abstecher
in ein kleines Dorf nahe Spa gemacht. Dort sollte es eine Pommesbude geben, so hatte
er gehört, die bei einem Wettbewerb zur besten Belgiens ausgewählt worden war. »Da
die Belgier die anerkannten Weltmeister der Pommes sind, muss die Bude ja dem besten
aller Weltmeister gehören«, folgerte Sümmerling, bevor er für sich und Böhnke in
einem unscheinbaren Holzverschlag die heißen und krossen Kartoffelstücke bestellte.
»Einmal rot-weiß und einmal ohne alles«, hatte er geordert und sich im Nachhinein
über den Ketchupberg und den Mayonnaiseklecks geärgert, unter dem seine Pommes verschwunden
waren.
Böhnke ließ es sich an dem einfachen Stehtisch aus Plastik in der engen
Holzhütte schmecken. Er wäre wahrscheinlich achtlos an diesem schmucklosen, wenig
einladenden Bau am Straßenrand vorübergefahren und bemerkte erst während seiner
Mahlzeit, wie groß der Kundenandrang war. Unaufhörlich strömten die Gäste herbei,
bestellten im dreisprachigen Wortwirrwarr ihre Speisen und warteten geduldig, während
der Koch unentwegt nasse Kartoffelstäbchen ins heiße Fettbad tauchte.
Die Rückfahrt nach Huppenbroich verlief schweigsam.
Sümmerling lag die kalorienreiche Soße aus Ketchup und Mayonnaise schwer im Magen.
Böhnke machte sich seine Gedanken, ohne richtig
zu einem klaren Gedanken zu kommen. Er war froh, dass Sümmerling kein Interesse
an einer Unterhaltung hatte. Er fasste zusammen, was er aus Belgien mitbrachte:
Das Wissen über eine Frau, die vor drei Jahren, wahrscheinlich durch einen Unfall,
im Hohen Venn ums Leben gekommen war, und einen Pfarrer, der trotz aller Annehmlichkeiten
eines sorgenfreien Lebens Selbstmord begangen hatte. Und wo bestand hier ein möglicher
Zusammenhang, etwa auch mit Gefferts Tod? Den gab es einfach nicht. Böhnke konnte
ihn jedenfalls nicht erkennen. Ich kann ihn nicht erkennen, weil es ihn nicht gibt,
sagte er sich.
»Hallo, junger Mann! Wir stehen vor Ihrer Haustür.«
Sümmerling holte ihn in die Wirklichkeit zurück. »Wenn Sie die Güte hätten und aussteigen,
könnte ich vielleicht heute noch zurück in meine Heimatstadt.«
»Gerne.« Schwungvoll kletterte Böhnke aus dem Ford.
»Vielen Dank und machen Sie’s gut.«
»Momentchen«, bremste ihn Sümmerling. »Könnte ich freundlicherweise
den Abschiedsbrief des Pfarrers bekommen?«
»Warum denn? Sie haben selbst gesagt, dass Sie nicht über Selbstmörder
schreiben. Da brauchen Sie auch keinen Abschiedsbrief eines Selbstmörders aus Belgien,
der überhaupt nicht in das Verbreitungsgebiet Ihrer Zeitung hineinspielt«, erklärte
Böhnke und schlug vor dem perplexen Sümmerling die Beifahrertür zu.
Das abendliche Anschlagen des Handys war nicht unüblich. Deshalb schaute
Böhnke nicht auf das Display, als er sich, in die Fernsehzeitung vertieft, meldete.
Es würde seine Apothekerin sein, die sich nach seinem Wohlbefinden erkundigen wollte.
Stets rief sie wochentags an und immer um diese Zeit. Statt der erwarteten Liebsten
hatte sich jedoch mit einem »Wenzel, Kripo Düren« jemand gemeldet, mit dem er nicht
gerechnet hatte.
Wenzel? Das war doch? Böhnke grübelte lange, bis
ihm einfiel, dass er es mit dem ehemaligen Assistenten und jetzigen Nachfolger von
Küpper zu tun hatte.
»Ja, bitte?«, sagte er vorsichtig.
»Herr Böhnke«, schnarrte es ihm entgegen, »kommen Sie auch einmal nach
Hause? Ich war heute Nachmittag bei Ihnen in Huppenbroich und Sie waren nicht da«,
klang es verärgert und vorwurfsvoll zugleich.
»Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Ich war nicht da. Das ist ja wohl
meiner Kenntnis nach nicht verboten. Oder?«, antwortete Böhnke gedehnt. »Was wollten
Sie denn von mir?«
»Wo waren Sie?«, bellte Wenzel zurück.
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen irgendeine Rechenschaft schuldig
bin«, sagte Böhnke langsam. »Wir hatten keine Verabredung, wenn ich mich nicht irre.«
Er überlegte angestrengt, was Wenzel im Schilde führen mochte.
»Das müssen Sie mir schon überlassen, ob ich das wissen muss oder nicht.
Also, wo waren Sie?«, fauchte Wenzel und entlockte damit Böhnke nur ein leichtes
Lächeln.
»Liegt etwas gegen mich vor?«
Wenzel überhörte die Frage absichtlich. »Kennen Sie einen Schmitz?«
»Einen?«, fragte Böhnke zurück. »Mehrere sogar. Mein früherer Schuhmachermeister
in Aachen hieß Schmitz, dann hatte ich einmal einen Ganoven in der Mangel, der ebenfalls
den
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