Dreiländermord
kennen.«
Geffert habe offensichtlich den Kontakt geknüpft, schilderte Böhnke
seine Überlegung. »Bei merkwürdigen Todesfällen wissen die Geistlichen oft mehr
als andere.«
»So kann es gewesen sein«, bestätigte Megrette.
»Sie kennen den einzigen ungewöhnlichen Todesfall bei uns in der Ecke?«Böhnke
nickte. »Die Tote im Hohen Venn.« Er musste schlucken.
»Wollen Sie etwa damit andeuten, Geffert musste freiwillig oder unfreiwillig
sterben,weil der Pastor ihn darüber informieren sollte oder er ihn dazu befragen
wollte?«
Er wisse es nicht, sagte Megrette ausweichend.
»Aber wir sollten diesen Aspekt nicht außer Acht lassen, wenn wir uns
jetzt gleich zur zweiten Station unserer Tour aufmachen.« Zuvor jedoch habe er einige
interessante Dinge für Böhnke. »Ich glaube, Sie werden noch einige Überraschungen
erleben.« Mit großer Selbstverständlichkeit langte er nach einem Ordner in einem
Regal. »Das ist die Ibiza-Akte unseres Pastors und eine Sammlung von Zeitungsartikeln.
Schauen Sie sich die Sachen ruhig gründlich an«, empfahl er. »Ich habe viel Zeit.«
Die ersten Fotografien aus Ibiza, die ein idyllisch im Hang gelegenes,
stattliches Haus zeigten, waren mindestens 15 bis 20 Jahre alt, so schätzte Böhnke.
»Nicht gerade die schlechteste Urlaubsadresse für einen belgischen Landpfarrer«,
meinte er staunend. »Wie kommt man denn an so etwas?«
»Reiches Elternhaus und Einzelkind«, antwortete Megrette. »Das Haus
haben Pauls Eltern 1975 bauen lassen, quasi als Altersruhesitz. Bald darauf sind
die beiden bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen und der 22-jährige Sohn
war allein auf der Welt.«
»Und wird Priester. Warum?«
Megrette zuckte mit den Schultern. »Gottes Wege
sind bekanntlich unergründlich. Wir haben in der Gemeinde nie darüber gesprochen.
Paul fühlte sich anscheinend wohl in seiner Haut. Er hatte ja seine regelmäßigen
Auszeiten vom Zölibat, denke ich mal, ohne ihm etwas Böses nachsagen zu wollen.«
»Freunde?«
»Richtige Freunde hatte er bei uns nicht. Eher viele gute Bekannte.
Er war beliebt, zweifelsohne. Nur richtige Freundschaften hat er hier in Kelmis
nie gepflegt.«
»Gäste?«
»Selten. Meistens wurde er im Ort eingeladen. Oft ist er weggefahren,
ohne jemandem zu sagen, wohin. Warum nicht? Auch ein Priester hat sein Privatleben,
vermute ich mal. Früher, in seiner Jugend-und Studienzeit, hat er vielleicht Freunde
gehabt. Allerdings, woher sollen wir das wissen?«
Böhnke blätterte mit sinkendem Interesse durch den Ordner. Eine Verkaufsurkunde,
nach der Paul Moulin sein Domizil an einen Spanier verkauft hatte, beendete die
Ibiza-Periode.
Er blickte auf die abgehefteten Zeitungsartikel. Die meisten waren
aus spanischen Zeitungen, wahrscheinlich von Ibiza. Den Sinn schien Böhnke zu erahnen.
Die Artikel handelten von vermissten, spurlos verschwundenen Mädchen und jungen
Frauen. Böhnke fühlte sich bestätigt, als er deutschsprachige Artikel fand, die
aus einer Inselzeitung zu stammen schienen. Sieben junge Frauen waren im Verlauf
von knapp fünf Jahren wie vom Erdboden verschluckt, die letzte vor rund sieben Jahren.
Böhnke stutzte, als er das Foto der Vermissten sah. Es zeigte Susanne, die Freundin
von Angelika, abgelichtet als Kellnerin in einer Bar. Nach dem Zeitungsbericht handelte
es sich um eine Unbekannte, die unter falschem Namen als Rosalinde Perez gearbeitet
hätte.
Damit endete die Sammlung der Zeitungsartikel aus Ibiza, was Böhnke
nicht verwunderte. Einen Monat später hatte der Pastor sein Haus verkauft und der
Insel den Rücken gekehrt.
Die restlichen Zeitungsartikel auf Deutsch und Französisch hatten die
Vermisste aus dem Hohen Venn zum Thema und das Auffinden ihrer Leiche ein Jahr später.
»Können Sie mir erklären, warum der Pastor diese Dinger gesammelt hat?«,
fragte Böhnke.
»Was wollen Sie hören? Dass er an dem Verschwinden oder dem Tod einer
oder mehrerer Frauen beteiligt gewesen war? Dass er die Erinnerung an die Frauen
behalten wollte? Dass er die Berichte aus einer Art Voyeurismus gesammelt hat? Es
gibt bestimmt x Gründe und wahrscheinlich eine ganz simple Erklärung. Wir werden
sie wohl nie erfahren.«
»Somit wird es wohl auch Zufall sein, dass er sein Haus verkaufte,
nachdem Susanne verschwunden ist?« Böhnke schob ein Problem beiseite, das sich neu
auftat. Sollte er Schabulsky über das Schicksal seiner Tochter informieren? Darüber
würde er später nachdenken, beschloss er.
»Wahrscheinlich«, erteilte
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