Dreiländermord
Gefferts Verabredung mit dem Pastor?
»Wollen Sie mir damit etwa andeuten, dass der deutsche Journalist und der belgische
Geistliche mit Teilen der gleichen Wäscheleine stranguliert wurden beziehungsweise
sich stranguliert haben?«
»So ist es.« Megrette betrachtete Böhnke lange. »Da stellt sich mir
die Frage: Woher hatte Geffert die Leine, die von einer Rolle stammt, die wir hier
in Kelmis gefunden haben? Hat unser Pastor sie mit nach Hürtgenwald gebracht, als
sie sich verabredet hatten?«
»Moment«, unterbrach ihn Böhnke. »Sie unterstellen, dass sich die beiden
tatsächlich auch getroffen haben?«
»Haben sie«, machte Megrette deutlich und bat
Böhnke, ihm ins Arbeitszimmer zu folgen. »Wie Sie im Spiralkalender auf dem Schreibtisch
lesen können, hat unser Pastor vermerkt, dass er den Journalisten an dessen Todestag
tatsächlich getroffen hat.« Der Vermerk in der entsprechenden Tagesspalte war eindeutig:
›Treffen mit Geffert, wie verabredet erfolgt.‹
»Bevor Sie Ihre Schlüsse ziehen, möchte ich Sie gerne auf zwei weitere
Dinge aufmerksam machen.« Megrette holte aus seiner Jackentasche ein in Folie verschweißtes
Stück Papier. »Das ist der Abschiedsbrief unseres Pastors. Lesen Sie!«
Vorsichtig nahm Böhnke das Original zur Hand. ›Ich habe mein Werk vollbracht.
Das Spiel ist aus. Es ist Zeit für mich zu gehen‹, las er erneut. Doch auch dieses
Mal ergaben die wenigen Sätze nicht mehr Sinn, so sehr er auch nachdachte.
Megrette unterbrach seine Gedanken. »Haben Sie Gefferts Abschiedsbrief
dabei?«
Böhnke nickte und öffnete seinen Ordner. Er stutzte, als er den Brief
in der Hand hielt.
»Kann es sein?« Er sah Megrette verblüfft an. »Kann es sein, dass beide
Briefe auf Blättern desselben Blocks geschrieben wurden?«
Vergleichend ließ Megrette seine Augen zwischen den beiden Zetteln
hin und her gleiten.
»Kann sein. Die Blätter sind gleich und«, er hielt sie gegen das Licht,
»sie haben das gleiche Wasserzeichen. Es ist ein nicht gerade gängiges Briefpapier«,
sagte er. »Und es wäre wohl ein verdammt großer Zufall, wenn sich zwei Selbstmörder
an einem Tag mit Teilen der gleichen Wäscheleine zu Tode bringen und vorher unabhängig
voneinander auf dem gleichen Briefpapier ihre Abschiedsbriefe verfassen.«
Böhnke sah Megrette verblüfft an. »Wissen Sie, was ich glaube? Geffert
hat sich mit dem Pastor getroffen, der Pastor hat die Leine und das Papier mitgebracht
und zugesehen, wie Geffert den Abschiedsbrief schrieb und sich erhängt hat. Oder?«
Böhnke merkte, dass er ein Detail unterschlagen hatte. Endlich fiel es ihm ein:
Thomas G. Geffert. G wie Gefahr.
›Das war unser Geheimzeichen, wenn wir in Gefahr waren‹, hatte Gefferts
Bruder gesagt.
»Wissen Sie, was das bedeutet?« Böhnke traute sich fast nicht, seine
Theorie vorzutragen. »Das bedeutet, dass Geffert gezwungen wurde, seinen Abschiedsbrief
zu schreiben und auch, sich aufzuhängen.«
»Oder er wurde aufgehängt«, fiel ihm Megrette unaufgeregt ins Wort.
»Was allerdings bedeutet, jedenfalls für mich, dass ein Dritter bei dieser Tat anwesend
war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann alleine in der Lage ist, einen
anderen zu richten oder ihn dazu zwingen kann, selbst an sich Hand anzulegen.«
»Demnach gibt es einen unbekannten Dritten im Hürtgenwald, wenn wir
unterstellen, dass Geffert nicht aus freien Stücken starb.«
»So könnte es sein«, bestätigte Megrette. »Leider haben wir dafür keine
Beweise, sondern nur Vermutungen.«
Er habe eben noch von einer zweiten Merkwürdigkeit gesprochen, erinnerte
Megrette. Selbstverständlich habe er das Telefon und das Handy des Pastors untersucht.
»Das Telefon hat überhaupt keine Hinweise gebracht. Das Handy hat mir insofern Hinweise
geliefert, als dass sämtliche Inhalte gelöscht waren.«
»Wie bei Geffert«, fiel Böhnke spontan auf. »Haben Sie eine plausible
Erklärung für mich, warum zwei vermeintliche Selbstmörder sich im Hürtgenwald treffen,
ein Mann dort sterben muss, beide auf gleichem Briefpapier Abschiedsbriefe schreiben,
und der zweite Mann, nachdem von seinem Handy ebenso alle Daten vernichtet wurden
wie von dem des anderen, mit einer Leine von der gleichen Rolle Selbstmord begeht?«
Er atmete nach diesem verwinkelten, beinahe unverständlichen Satz tief durch.
»Habe ich nicht«, lautete Megrettes knappe Antwort auf Böhnkes lange
Frage. »Ich weiß nur, dass etwas nicht stimmt. Ich habe mich lange gefragt, woher
die beiden sich
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