Dreiländermord
hoch«, gab er fasziniert und zugleich
ungebeten Auskunft.
»Und wir treffen jetzt einen Holländer, der hat das geschafft?« Böhnke
reagierte etwas zorniger, als es seine Absicht war.
Megrette schwieg auf der Stelle. Nach der letzten
Haarnadelkurve fuhr er flott auf einen fast leeren Parkplatz und bremste im tiefen
Kies ab. »Da vorne«, er deutete, während sie ausstiegen, auf einen hölzernen Aussichtsturm,
»da vorne im Restaurant, da werden wir erwartet.« Er packte Böhnke am Ärmel und
zog ihn mit. »Zuvor müssen Sie aber die Drei-Länder-Tour machen. Das muss jeder
machen, wenn er zum ersten Mal hier ist. Sie waren noch nie hier, oder?«
Böhnke verneinte. Nur wenige Kilometer von seinem ehemaligen Wohnsitz
entfernt lag mitten im Wald ein Lieblingsort seiner niederländischen Nachbarn –
und er hatte ihn noch nie gesehen.
Sie näherten sich einem kleinen Obelisk neben
einem schmalen Fußweg.
»Das ist es«, sagte Megrette ehrfurchtsvoll. »Das
ist das ominöse Dreiländereck, quasi die Keimzelle der europäischen Einheit, an
der Sie mit wenigen Schritten durch Deutschland, Belgien und die Niederlande laufen.
Ohne Grenzen, ohne Schlagbäume und ohne Kontrollen. Und das schon seit vielen Jahren.«
Der Obelisk war unscheinbar. Hätten nicht dahinter
drei Standarten mit den Fahnen der beteiligten Nationen im sanften Windzug geweht,
Böhnke hätte den Gedenkstein wahrscheinlich nicht bemerkt und sonderlich beachtet.
Aber so las er doch die in drei Sprachen verfasste Inschrift, die über die Geschichte
des Ortes informierte.
»Na, Herr Kollege!« Eine Hand legte sich schwer auf Böhnkes Schulter.
Der Stimme nach zu urteilen, musste ihn ein Limburger angesprochen haben. Der etwas
kehlige Ton gepaart mit dem Singsang der Aachener Region, das sprach für diese Annahme.
Und es gab nur einen Kollegen aus Limburg, den er kannte.
Böhnke drehte sich langsam um und blickte in das freundliche Gesicht
des fast gleichaltrigen Mannes. Es war genau der, mit dem er gerechnet hatte. Wie
war denn nur sein Name, fragte er sich.
»Mijnheer Bloemen war so zuvorkommend, sich hier mit uns hier zu treffen.«
Megrette half ihm aus der Verlegenheit. Richtig, Bloemen, das war der Kommissar
auf der niederländischen Seite, mit dem er vor ungefähr zehn Jahren eine Mordserie
beiderseits der Staatsgrenze im Zusammengang mit dem Aachener Karlspreis aufgeklärt
hatte, erinnerte er sich. Der Niederländer sah nach Böhnkes Ansicht gesund aus,
braun gebrannt, sportlich und elegant in einem Anzug gekleidet.
»Kaum bin ich aus meinem Urlaub in Ihrem wunderschönen Sauerland zurück,
hängt mir Megrette am Hals«, meinte Bloemen vergnügt, während sie zu dem Café-Restaurant
unterhalb des Aussichtsturms schlenderten. Megrette hatte dort vorsorglich einen
Tisch reserviert; eine gute Idee, wie sich in dem vollen Lokal herausstellte. Ohne
Böhnke zu fragen, bestellte er. »Koffie en Limburgse Vlaai«, lautete seine knappe
Order. »Drie Keer.«
»Zur Sache.« Bloemen hielt sich nicht am sonst üblichen Vorgeplänkel
auf. Er wollte nicht wissen, wie es Böhnke ging oder wie das Wetter in der Eifel
sei. Er kam gleich zum Thema. »Was gibt’s? Wie kann ich Ihnen helfen?«
Es war an Megrette, die Fakten zu nennen, vom vermeintlichen Selbstmord
Gefferts bis hin zum aktuellen Tod des Priesters. »Und jetzt kommen Sie ins Spiel.
Der Kollege Böhnke hat bei Geffert eine Liste mit ungeklärten Todesfällen gefunden,
die nach Roermond und Maastricht führen.«
Bloemen lächelte. »Sie meinen den Strichjungen und den Ingenieur.«
Er schaute Böhnke an. »Megrette hat mir vorab alles berichtet, was er weiß. Es würde
mich interessieren, was Sie Neues für mich haben. Dann kann ich Ihnen eventuell
auch mit interessanten Informationen dienen.«
Auf Megrettes Bitte holte Böhnke das Foto der sieben Männer hervor.
»Kennen Sie einen oder mehrere davon?«, wollte Megrette wissen.
Blomen zögerte keine Sekunde, als er das Bild in
Händen hielt und anschaute. Er tippte auf den am linken Rand stehenden Mann. »Das
da, das ist der Ingenieur. Sie wissen, der mit dem geplatzten Reifen.«
Böhnke schüttelte sich. Was sollte das? Der Ingenieur gehörte also
zweifellos auch zu dieser Gruppe der Gnadenlosen. Was hatte das zu bedeuten?
»Ich weiß es noch nicht«, antwortete Bloemen.
»Aber das Wissen lässt vielleicht seinen Tod in einem anderen Licht erscheinen.
Zunächst schien es, als sei er bei einem Verkehrsunfall gestorben, wahrscheinlicher
ist es
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