Dreiländermord
Deutschland, Belgien
oder in den Niederlanden sind als Einzelfälle zu den Akten gelegt. Insofern haben
wir auch keinen Ermittlungsauftrag. Und das im vereinten Europa. Da scheitert eine
direkte Kommunikation zwischen Dienststellen bereits im Ansatz. Doch Sie, Herr Böhnke,
Sie wissen, dass es einen ermordeten Journalisten gibt, der irgendetwas mit diesen
Fällen zu tun hatte.«
Böhnke spürte Unruhe in sich aufsteigen. Er merkte, welches Spiel die
beiden inszeniert hatten. »Ich soll quasi privat ermitteln, damit Sie vielleicht
Klarheit bekommen?«
So sei es, bestätigte Megrette ehrlich. »Wir wissen
nicht, ob es überhaupt Zusammenhänge gibt; wir wissen nicht, ob es überhaupt Verbrechen
gibt. Wir kennen keine Mörder, wir kennen keinen Grund für den Tod der Frau im Hohen
Venn. Wir haben absolut keine Ermittlungsbasis. Jedoch könnten Sie in Deutschland
etwas ausrichten.«
Wieder rührte Böhnke nachdenklich in der Kaffeepfütze,
die in der Tasse übrig geblieben war, weil der Zucker sich längst aufgelöst hatte
und das Getränk kalt geworden war. Er würde am Mittwoch mit Rennickens sprechen,
eventuell konnte er den Dürener Kripochef veranlassen, die Einzelfälle noch einmal
zu durchleuchten. »Mal schauen, was sich da machen lässt«, sagte er endlich. Viel
Hoffnung habe er nicht. »Aber vielleicht bekommt so der Fall Geffert wenigstens
ein größeres Gewicht.«
Das Gespräch über den aktuellen Anlass ihres Treffens
versandete. Immer wieder kamen die Kommissare auf vergangene, gemeinsame oder spektakuläre
Ermittlungen zu sprechen und verloren sich in Erinnerungen. Böhnke mahnte schließlich
zum Aufbruch.
»Ich muss pünktlich in Huppenbroich meine Tabletten
schlucken«, behauptete er, auf Verständnis hoffend.
Auch die Rückfahrt in die Eifel war von eher alltäglichen Themen geprägt.
Megrette und Böhnke wollten nicht mehr über die Geschehnisse des Tages sprechen.
Sie waren erschöpft, mussten die Ergebnisse sacken lassen. Erst beim Abschied vor
der Haustür kam der belgische Kommissar auf die Untersuchung zurück. »Ach ja. Und
denken Sie bitte daran, mir das Bild und den Kalender zurückzugeben, wenn Sie mit
der Geschichte fertig sind.«
16.
Das Gesicht! Böhnke ärgerte sich, weil ihn das
Gesicht nicht losließ. Er kannte es und wusste dennoch nicht, wem er es zuordnen
sollte. Die Ähnlichkeit zum jungen Küpper war zwar augenscheinlich, dennoch weigerte
er sich, zu glauben, es könne sich bei dem Mann inmitten der durchaus dubiosen Gestalten
um seinen Freund handeln. Das konnte und durfte nicht sein. Oder doch? Böhnke schrieb
sich ein gutes Gedächtnis zu. Wen er einmal gesehen hatte, den vergaß er nicht,
wenngleich es mit den Namen anders aussah.
Müde und zugleich aufgewühlt wälzte er sich im
Bett. Er versuchte eine andere Methode. Wo konnte er das Gesicht gesehen haben,
das ihn auf dem Bild so hämisch angegrinst hatte und das jetzt vor seinen Augen
tanzte? War es etwa doch der Bernhardiner? Er wollte es nicht glauben und schob
den Gedanken beiseite.
Hatte er das Gesicht beruflich bereits einmal gesehen? Privat? Bei
irgendwelchen Anlässen? Das kam alles nicht infrage. Er kannte das Gesicht aus einem
anderen Zusammenhang. Da blieb nur noch die Rubrik: bekannt aus Funk und Fernsehen.
Nur so prominent schien das Gesicht wieder auch nicht zu sein. Wahrscheinlich, so
folgerte Böhnke, hatte er es in einer Zeitung gesehen.
Alleine würde er bei seiner Suche nach dem Namen zu diesem Gesicht
nicht weiterkommen. Auch wenn es ihm nicht sonderlich behagte, vielleicht würde
ihm Küpper helfen, selbst auf die Gefahr hin, dass der Bernhardiner tatsächlich
der Mann war. Was das bedeuten könnte, wollte Böhnke sich nicht ausmalen. Und da
war ja noch Rennickens, den er fragen konnte. Oder wen auch immer.
Er musste das Gesicht mit einem Namen verbinden und eine Beziehung
zu Saggolny, zum Pastor, zu Wirthding und zum Ingenieur herstellen, dabei könnte
er ihr vielleicht gemeinsames Geheimnis klären, das mit Ibiza zusammenhing und das
möglicherweise in Zusammenhang mit Gefferts Tod stand. Oder sollte er Mord sagen?
Daran konnte Küpper einfach nicht beteiligt sein. Das Gesicht war nicht das von
Küpper, beschloss Böhnke für sich. Außerdem, so argumentiert er, passte Küpper vom
Alter her wahrscheinlich nicht in die Gruppe. Andererseits: Was sprach dagegen,
dass ein Älterer einer Gruppe von Jungspunden angehörte?
›Les Brutals‹, die Gnadenlosen, hatte der Pastor
getitelt. Was
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