Dreiländermord
meinte er damit? Böhnke hatte eine fürchterliche Vermutung, jedoch
wollte er sie nicht recht glauben, sich nicht mit ihr beschäftigen, sie verdrängen
– so wie den Gedanken, dass Küpper daran beteiligt sein könnte. Die Zeit würde kommen,
um diese Vermutung auszusprechen, ihr nachzugehen, mit anderen darüber zu reden.
Allerdings war es noch zu früh, beschloss Böhnke für sich. Er würde erst einen Schritt
nach dem nächsten machen, nicht von einer Ecke zur anderen springen. Und der nächste
Schritt musste sein: dem Gesicht einen Namen geben.
Er wunderte sich über seine Gelassenheit, als er mit Küpper telefonierte
und dabei mit keinem Wort die Vermutung äußerte, der Kollege könne zur Gruppe der
Gnadenlosen gehören.
Der Bernhardiner hatte ihn ausführlich berichten
lassen, ehe er das Wort ergriff: »Hört sich alles spannend und interessant an, aber
ist das auch beweiskräftig?« Er formulierte ebenfalls die Bedenken, die Böhnke langsam
gewachsen waren: »Inwieweit treffen die Aussagen von Megrette zu? Gibt es nicht
Zufälle en masse? Und selbst, wenn du recht hast mit deiner Annahme, Geffert sei
getötet worden, wem willst du den Mord anhängen? Etwa dem Pfaffen?«
Wollte Küpper ihm helfen oder versuchte er, den Sachverhalt so zu verbiegen,
dass er ihm nicht gefährlich wurde? Böhnke traute dem langjährigen Kollegen nicht
so richtig und erschrak über sich selbst, dass er ihre Freundschaft beinah verleugnete.
Andererseits hatte ihn der Bernhardiner selbst zu dieser Geschichte gebracht. Das
sprach dagegen, dass er daran beteiligt war.
»Warum nicht?«, antwortete er nach langem Zaudern. »Dem Pfaffen zusammen
mit einem oder zwei anderen.« Böhnke musste schlucken. »Ich gehe von Mord aus und
suche den Täter«, sagte er und dachte unwillkürlich auch an Küpper. Diesen Ansatz
werde er wählen.
»Entweder bestätigt er sich oder ich widerlege ihn. In jedem Fall habe
ich Ruhe, Gefferts Bruder bekommt Klarheit und auch dein Pfaffe ist entlastet.«
Küpper schwieg lange. »Ich habe eine Idee«, meinte er endlich. »Ob
sie dir im Endeffekt weiterhilft, weiß ich nicht. Aber sie kann auch nichts kaputt
machen.«
»Was hast du vor?«, fragte Böhnke. Warum, so dachte er sich, beteiligte
sich Küpper derart an der Aufklärung dieser Geheimnisse, die letztendlich gar keinen
kriminellen Charakter zu haben brauchten? Oder bei denen er beteiligt war, ohne
es ihm zu offenbaren?
»Was ich vorhabe? Warte es ab!« Küpper lachte ins Telefon. »Warum ich
in dieser Sache mitspiele, ist leicht gesagt: Ich will dir und einem Freund helfen.«
War das tatsächlich Küppers Beweggrund? Böhnke
hatte seine Zweifel, die er jedoch nicht äußerte.
Wer dieser Freund war und wie die Idee aussah,
wurde Böhnke am nächsten Tag schnell bewusst. Er hätte es sich denken können. Das
stürmische Klingeln an der Haustür schreckte ihn vom Frühstückstisch auf.
Der AZ-Reporter Sümmerling hatte sich im Türrahmen aufgebaut. Er sah
nicht aus, als hielte er für Böhnke eine freudige Überraschung bereit. Er schäumte
vielmehr vor Wut, als er ihm mit zitternden Händen den Lokalteil des Dürener Tagesblatts
vors Gesicht hielt.
»Das ist die größte Unverschämtheit der letzten Jahre, die Sie sich
da geleistet haben, Herr Böhnke«, fauchte er mit puterrotem Kopf. »Ich öffne Ihnen
alle Türen nach Belgien und Sie verkaufen Ihr Wissen an diesen heruntergekommenen
Analphabeten des maroden Provinzblättchens vom Eifelrand«, schimpfte er.
Böhnke ließ Sümmerling gewähren. Er ahnte, was den Journalisten aus
Aachen in Rage gebracht hatte. »Geben Sie her!« Er griff nach der Zeitung und entriss
sie ihm.
»Journalist wurde ermordet!«, las er. Bahn hatte diese Überschrift
über einen Artikel gesetzt, in dem er nahezu alle Informationen wiedergab, die Böhnke
an Küpper geliefert hatte. Ein feiger Mord sei als Suizid getarnt worden, behauptete
Bahn unter Berufung auf die gewöhnlich gut unterrichteten Quellen. Er hatte keine
Hemmung, den belgischen Geistlichen als möglichen Mittäter zu nennen und von, wie
er schrieb, ›bis zu zwei weiteren Tätern‹ auszugehen.
Das war also Küppers Idee gewesen, dachte sich Böhnke. Neugierig wandte
er sich einem zweiten Artikel zu. Darin ließ Bahn den Dürener Polizeichef zu Wort
kommen. Man sei bei den Ermittlungen selbstverständlich auch der Mordtheorie nachgegangen,
sagte Rennickens, aber es habe keine Anzeichen dafür gegeben. Mehr noch: »Der Abschiedsbrief
Ihres
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