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Dreiländermord

Dreiländermord

Titel: Dreiländermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Haltestelle geparkt. Den anstrengenden
Weg in der Hitze hätte er sich sparen können, fluchte Böhnke, als er zielstrebig
auf ein frei stehendes, älteres Gebäude zusteuerte. Wie beschrieben, gab es zur
Straße hin ein Restaurant mit einer Außenterrasse und zum Hafenbecken eine Lagerhalle,
vor der ein Kleintransporter mit Kisten voller Fisch beladen wurde.
    Neugierig betrat Böhnke das Fischerlokal. Er wurde von einem lauten
Stimmengewirr empfangen. Starke Rauchschwaden umhüllten ihn; er war mitten in der
Gesellschaft der Fischer gelandet, die hier nach ihrem Fang eine Rast einlegten.
Er verstand kein Wort, war anscheinend der einzige Fremde. Die meisten Männer mit
gegerbten Gesichtern und derber Arbeitskleidung saßen auf einfachen Holzstühlen
an ebenso einfachen Tischen. Nur zwei Stühle und ein Tisch waren leer geblieben,
das Schild auf der Platte fiel ihm sofort ins Auge: ›Reservado por Señor Bunnke‹.
D. hatte auch daran gedacht.
    Böhnke musste wegen des ›Bunnke‹ schmunzeln. Die Uhr teilte ihm mit,
dass es kurz vor zwölf war. Ungeniert setzte er sich, in der Enge des Raumes fast
Rücken an Rücken zu einem anderen Gast, der überhaupt nicht reagiert, als er ihn
beim Zurücksetzen des Stuhles anrempelte. Er ließ sich in seiner Zeitungslektüre
überhaupt nicht stören.
    Man nahm Böhnke einfach nicht zur Kenntnis. War gut, dass ich zu Fuß
gekommen bin, sagte er sich, so hatte er wenigstens die Zeit des Wartens nicht mit
Grübeln überbrücken müssen. Er hatte mit Bedacht den Stuhl gewählt, der ihm einen
freien Blick auf die Eingangstür gewährte. Vielleicht würde er D. früher erkennen
als dieser ihn.
    Eine junge Frau, die flink zwischen den Tischen und den Gästen umherlief,
kam auf ihn zu. »Sie wünschen?«, fragte sie ihn auf Deutsch.
    Er warte auf einen Bekannten und trinke ein Mineralwasser, antwortete
Böhnke, nicht im Geringsten überrascht, dass man ihn als Deutschen erkannte hatte.
    Die Kellnerin nickte kurz und war wieder hinter der Theke verschwunden.
Auch dort wuselten zwei Mitarbeiter mit Getränken und Tellern. Neben der Theke befand
sich, wie Böhnke durchaus interessiert beobachtete, eine offene Küche, in die er
durch eine große Durchreiche blicken konnte. Was gereicht wurde, bekam er schnell
heraus. Es gab quasi nur ein Gericht: eine Fischplatte garniert mit den typischen,
in Meerwasser gekochten Kartoffeln sowie Tomaten und Zwiebeln.
     
    »Für Sie reicht wahrscheinlich eine kleine Portion, Herr Böhnke.« Eine
klare, deutliche Männerstimme unterbrach seine Beobachtung.
    Böhnke schaute nach vorn und erkannte einen großen, sportlich schlanken
Mann mit sonnengebräuntem Gesicht und vollem, schulterlangem grauen Haar.
    Das musste D. sein! Die Übereinstimmung mit dem herausragenden Mann
in der Mitte des Bildes mit den sieben Gnadenlosen war unverkennbar.
    Mit hellen, braunen Augen betrachtete der Mann
ihn, während er die Hand zum Gruße ausstreckte. »Willkommen im Hafenrestaurant von
Morro Jable.« Er gab sich freundlich und zuvorkommend, nichts deutete darauf hin,
dass er Arges im Schilde führen könnte. Doch Böhnke spürte sofort, dass dieser Mann
mit seiner Ausstrahlung seine Umgebung in den Bann ziehen konnte. Er erwiderte,
fast mechanisch, den Gruß, obwohl er sich zunächst weigern wollte, und bemerkte
den festen Händedruck.
    Der souverän auftretende Mann setzte sich mit großer
Selbstverständlichkeit Böhnke gegenüber und winkte nach der Kellnerin, die sofort
beflissen heraneilte. Er gab eine Bestellung auf Spanisch auf. »Für Sie eine kleine,
für mich eine große Fischplatte, Herr Böhnke. Es wird Ihnen garantiert schmecken.«
Dankend nickte er der Frau zu, die eine große Flasche Mineralwasser gebracht hatte.
»Genießen Sie die Mahlzeit.« Er hatte die Gläser gefüllt und prostete Böhnke höflich
zu. »Denn es wird Ihre letzte sein.« Er schluckte. Sein Lächeln war aufgesetzt,
seine Augen verrieten den bitteren Ernst, den er im Sinn hatte.
    Von mehreren Seiten wurde D. von den Fischern
angesprochen. Manch einer schlug ihm kumpelhaft mit der Hand auf die Schulter. Böhnke
verstand nichts von den Gesprächen, die offenbar grundlegend sehr freundschaftlich
und humorvoll verliefen. Nur das häufige ›Dottore‹ hörte er heraus. D. stand entweder
für Dottore oder war Doktor.
    »Sind Sie Arzt?«
    »Das war ja nicht schwer zu erraten.« D. lachte wieder in die Männerrunde.
»Vielen von ihnen habe ich bereits helfen können. Manchen habe ich wieder

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