Dreiländermord
Haltestelle für den Pendelbus zwischen Esquinzo und Morro
Jable. Den nehmen Sie, wenn Sie denn noch leben, morgen um 11 Uhr und fahren bis
zur Endstation in Morro. Kostet Sie den letzten Euro, den Sie in Ihrem Leben ausgeben
werden. Von der Endstation gehen Sie die wenigen Meter bis zum Hafen. Direkt am
Hafen gibt es ein Restaurant der Fischereigenossenschaft. Hinten wird der Fisch
angeliefert und vorne verspeist.«
Böhnke erinnerte sich. Dolores hatte von dieser Kneipe gesprochen,
in der sich die Fischer nach ihrer Arbeit trafen. Ein Geheimtipp, den nur wenige
Touristen aufspürten, hatte sie gesagt und ihm einen Besuch empfohlen.
»Dort treffe ich Sie um 12 Uhr. Jedoch nur, wie gesagt, wenn Sie zu
diesem Zeitpunkt überhaupt noch am Leben sind. Und ich bin mir sicher, unser Treffen
werden Sie garantiert nicht überleben. Doch immerhin habe ich Ihnen eine Alternative
angeboten. Für alle Fälle habe ich dort einen Tisch für zwei Personen reserviert.
Machen Se was draus!« Damit beendete er abrupt das Gespräch.
Erschöpft lehnte sich Böhnke gegen die Mauer, die die Wärme abstrahlte,
die sie tagsüber gesammelt hatte. Meinte der Freund von Rennickens das etwa ernst?
Oder war er ein Spinner? Ich muss vom Schlimmsten ausgehen, dachte Böhnke, dann
kann es nur besser werden. Er wurde, zwar noch nicht gezielt, allerdings wahrscheinlich
immer konkreter, als Mörder gesucht, und da war nichts, das er zu seiner Entlastung
vorbringen konnte. Es gab keine Beweise, lediglich Indizien. Wenn zudem Fotos auftauchen
sollten, war es in der öffentlichen Meinung um ihn geschehen. Was hatte ihm D. in
einer einzigen, spöttischen Bemerkung gesagt?
›Machen Sie was draus!‹
Nein, verbesserte sich Böhnke.
D. hatte gesagt: ›Machen Se was draus!‹
Der Pensionär hatte es plötzlich eilig. Er rappelte sich auf, fühlte
neue Energie in sich. Küpper! Der Name schoss ihm durch den Kopf. Er musste mit
Küpper sprechen. Der Bernhardiner musste ihm helfen, wie auch immer er das anstellen
sollte.
Inständig hoffte er, Küpper würde das Telefonat entgegennehmen. Das
Anläuten dauerte ihm viel zu lange, mit jedem Klingelzeichen schwand die Wahrscheinlichkeit,
das für ihn so wichtige Gespräch führen zu können.
Endlich meldete sich Küpper. Böhnke ließ es bei einer kurzen Begrüßung
bewenden, stattdessen schilderte er detailliert seinen Tagesverlauf und das bedrohliche
Abschlussgespräch mit D. »Und jetzt kommt dein Part, mein Freund. Ich suche einen
Deutschen, der wahrscheinlich schon längere Zeit im spanischsprachigen Bereich lebt,
gute Beziehungen zur Polizei auf Fuerteventura zu haben scheint, wahrscheinlich
wie seine Freunde aus der Gruppe der Gnadenlosen Akademiker ist und eventuell aus
dem Rheinland stammt. Wer sagt denn sonst im alltäglichen Sprachgebrauch: ›Machen
Se was draus!‹? Kannst du damit etwas anfangen?«
»Sagen die Sachsen auch«, gab Küpper zu bedenken.
»Aber die sächseln, und das hat der Kerl garantiert nicht. Da war auch
kein anderer Dialekt erkennbar. Also, was ist?« Vielleicht war es auch nur eine
Hoffnung. Selbst wenn er sich in diesem Punkt irrte, so gab es doch ein paar andere
und er hatte wenigstens eine Basis geliefert, auf der Küpper recherchieren konnte.
Küpper schnaufte. »Ich kann auch eine Nadel im Heuhaufen suchen. Dafür
musst du mir einen Magneten geben oder ich besorge mir einen, dann fällt es mir
viel leichter.«
Damit könne er nicht dienen, entgegnete Böhnke. »Ein Detail habe ich
vielleicht noch für dich: das Alter. Ich habe das Alter vergessen. Um die 45, oder
eher 50 würde ich schätzen, so etwa die Altersklasse der Gnadenlosen.«
»Noch etwas?« Küpper stöhnte theatralisch und fügte nach einer Pause
hinzu: »Ach ja, bestimmt ist unser D. Junggeselle.«
»So wird es sein«, bestätigte Böhnke. »Und was machst du nun mit diesen
Informationen?«
Küpper lachte: »Ich spiele Bullen-Google.« Was er damit meinte, ahnte
Böhnke, auch wenn ihm der Begriff nicht bekannt war. Der Bernhardiner würde sicherlich
alle legalen, halblegalen und höchstwahrscheinlich auch illegalen Quellen anzapfen,
die polizeiinternen Suchmaschinen mit diesen Informationen füttern und darüber hinaus
auf anderen Wegen zu Ergebnissen kommen wollen.
»Du kannst mir glauben, ich lasse nichts unversucht«, gab sich Küpper
entschlossen.
»Warum?«
»Warum wohl? Weißt du nicht mehr, warum du überhaupt nach Fuerteventura
geflogen bist? Bestimmt nicht, um dort zu sterben,
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