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Dreiländermord

Dreiländermord

Titel: Dreiländermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Lehmkuhl
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Trockenfutter und Wasser. Außerdem gab es eine hölzerne Katzenfalle, vermutlich
für die streunenden Tiere, die kastriert oder sterilisiert werden sollten. Bescheiden
stand neben der Futterstelle eine Blechbüchse, in die Spendengelder eingeworfen
werden sollten. Wenn es nach D. geht, brauche ich nur noch einen Euro für die Busfahrt,
das restliche Geld könnte ich ja in die Büchse stecken, dachte Böhnke, ließ dennoch
sein Portemonnaie an seinem Platz. Ich fahre nicht zu meiner Henkersmahlzeit. Ich
fahre, um einen Mörder festzunehmen, sagte er entschlossen.
    Bevor er sich weitere Gedanken machen konnte, bog ein gelber, laut
dröhnender Linienbus um die Ecke und steuerte die Haltestelle an. Böhnke stieg ein,
drückte dem Fahrer die Euromünze in die Hand und erhielt dafür einen Fahrschein.
Noch war er alleine in dem Bus, hatte also die freie Auswahl und suchte sich einen
Fensterplatz in der Reihe hinter dem Hinterausgang, weil er dort die meiste Beinfreiheit
hatte.
     
    Rasch füllte sich mit jedem Halt der Bus, vornehmlich
mit deutschen Touristen, die offenbar alle nur ein Ziel kannten: die Endstation,
um von dort am Strand entlang zurückzulaufen, wie Böhnke den angeregten Gesprächen
entnahm. Nahezu an jeder größeren Hotelanlage hielt der Bus bei seiner Tour. Böhnke
staunte über die großen und attraktiven Komplexe abseits der Hauptstraßen, die,
wie er vermutete, oberhalb der Steilküste in den Fels gesetzt worden waren.
    Mit der Einfahrt des Busses nach Jandia erlebte Böhnke einen touristischen
Kulturschock. Die Gebäude mit ihren Geschäften und Wohnungen, die sich rechts der
Straße in den Hang schraubten, machten den Ort zu einem Touristenbunker. Das Gewusel
der Menschen tat das Übrige, um in Böhnke den Entschluss keimen zu lassen, dass
er hier niemals Urlaub machen würde. Da war ihm das beschaulich-langweilige Esquinzo
lieber und er verstand langsam, warum es so viele ältere Menschen gerade dorthin
verschlug. Urlaub machen, er schluckte – wenn er denn überhaupt noch einmal dazu
kommen würde, Ferien zu machen.
    Er hatte sich kaum mit diesem Gedanken beschäftigt,
da überraschte ihn die plötzliche, hektische Aufbruchsstimmung. Alle Mitfahrer strebten
an einer Haltestelle in einem Kreisverkehr den Ausgängen zu, sodass Böhnke annahm,
die Endstation erreicht zu haben.
    Er hatte sich geirrt, wie er feststellte, nachdem er als Letzter ausgestiegen
war und der Bus nicht im Kreisverkehr umkehrte, sondern in der nächsten Ausfahrt
weiterfuhr, um hinter einem Hügel zu verschwinden.
    Wo der Hafen sei, sprach er einen der Senioren an, den er wegen seiner
Kleiderordnung mit einer kurzen Hose, dem weißen Doppelripp-Unterhemd, das nur knapp
über dem dicken Bauch hing, und den hochgezogenen, weißen Tennissocken in ausgetretenen
Sportschuhen für einen typischen Deutschen hielt.
    »Da hätteste wigger fahre mösse«, erhielt er wenig erhellend als Antwort.
Jedoch bequemte sich der Normalo wider Erwarten zu einer vernünftigen Angabe: »Sie
gehen jetzt durch die Gasse da vorne den Berg hinauf bis zu einer weißen Kirche
und dahinter den Weg wieder hinunter. Aber Achtung! Wenn Se zu schnell machen, fallen
Se ins Wasser. Da geht es steil bergab«, lachte der Mann und hastete hinter einem
Pepittahütchen hinterher. »Martha, nun warte doch!«, rief er ungehalten.
     
    Langsam stiefelte Böhnke durch die von kleinen Wohnhäusern gesäumte
Gasse bergauf. Hier lebten augenscheinlich und unüberhörbar Einheimische, wie er
der lauten Musik aus den offenstehenden Fenstern ebenso entnahm wie den Namensschildchen
neben den schlichten Eingangstüren.
    Eine letzte Auszeit? Ein letztes Gebet? Die Frage kam unwillkürlich,
als Böhnke vor dem weißen, modernen Gotteshaus stand. Warum eigentlich? Er hatte
früher nicht auf göttliche Unterstützung gesetzt, und heute würde es nicht anders
sein.
    Hinter der Kirche schlängelte sich die Gasse wieder gen Tal. Am Eingang
zu einem kleinen Park oder vielmehr zu dem, was in dem Geröll an kärglichem Grün
einmal zum Park werden sollte, bog er auf einen serpentinenförmigen Fußweg ab, und
hatte damit die richtige Entscheidung getroffen. Nach wenigen Schritten blickte
er auf das Hafenbecken, das von Gebäuden und aufgeschütteten, felsigen Dämmen umsäumt
nur eine kleine Ausfahrt zum offenen Meer hatte. Am Damm zum Meer hin hatte eine
mächtige Fähre angelegt, die unentwegt Lastwagen und Pkw ausspuckte. Böhnke erkannte
den Bus aus Esquinzo unterhalb von ihm an einer

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