Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
sich Barbaresco die unrasierten Wangen.
»Wir bezahlen Sie nicht für Ihre Vermutungen, Herr Costa. Abgesehen von den rein technischen Aspekten Ihres Auftrags gehen diese Briefe Sie nichts an. Nicht einmal uns gehen sie etwas an. Setzen Sie Ihre Talente ein, um Sie uns zu besorgen.«
Bei diesen Worten gab er seinem Kollegen ein Zeichen, worauf dieser sich von der Autotür abstieß und gemächlich auf sie zukam. Aus dem Handschuhfach hatte er einen Umschlag genommen, und seine traurigen Augen musterten Max voller Misstrauen.
»Hier haben Sie die Informationen, um die Sie gebeten hatten«, sagte Barbaresco. »Ein Plan des Hauses und einer vom Garten sind auch dabei. Es ist ein Tresor der Marke Schützling, der sich in einem Schrank des Büros befindet.«
»Baujahr?«
»Dreizehn.«
Max hielt den Umschlag in der Hand. Er war zugeklebt. Ohne ihn zu öffnen, steckte er ihn in die Innentasche seiner Jacke.
»Wie viel Personal ist im Haus?«
Wortlos hob Tignanello eine Hand mit gespreizten Fingern.
»Fünf«, sagte Barbaresco. »Dienstmädchen, Gouvernante, Chauffeur, Gärtner und Köchin. Die ersten drei wohnen im Haus. Sie schlafen im Obergeschoss. Außerdem gibt es eine Wache in dem Häuschen am Eingang.«
»Hunde?«
»Nein. Ferriols Schwester hasst Hunde.«
Max überschlug, wie lange es dauern würde, den Schützling zu öffnen. Dank der Unterweisungen seines alten Komplizen Enrico Fossataro hatte er schon zwei Fichet-Tresore und einen Rudi Meyer geknackt, dazu ein halbes Dutzend Geldschränke mit herkömmlichen Schlössern. Schützling war ein Schweizer Fabrikat mit leicht veralteter Mechanik. Unter optimalen Voraussetzungen, wenn er die richtige Technik anwendete und keinen Fehler machte, sollte es in einer Stunde zu schaffen sein. Doch war ihm klar, dass es sich nicht hauptsächlich um ein Zeitproblem handelte, sondern darum, überhaupt zu dem Safe zu gelangen und Hand an ihn legen zu können. In Ruhe und ungestört arbeiten zu können. Ohne Druck.
»Ich werde Fossataro brauchen.«
»Wozu?«
»Schlüssel. Dieser Safe hat Kombinationsschlösser. Sagen Sie ihm, ich benötige ein komplettes Pickset.«
»Ein was?«
»Er weiß schon. Außerdem brauche ich mehr Vorschuss. Meine Ausgaben sind zu hoch.«
Barbaresco schwieg, als hätte er den letzten Satz überhört. Er schaute zu seinem Kollegen hinüber, der wieder an dem Fiat lehnte und auf das Mahnmal für die Kriegstoten starrte: eine große weiße Urne, überwölbt von einem in den Felsen gehauenen Bogen über der Inschrift La ville de Nice à ses fils morts pour la France .
»Das bringt Domenico traurige Erinnerungen zurück«, erklärte Barbaresco. »Er hat in Caporetto zwei Brüder verloren.«
Er hatte den Hut abgenommen und strich sich mit müder Geste über den Schädel. Dann sah er Max an.
»Waren Sie nie Soldat?«
»Nie«, sagte Max, wie aus der Pistole geschossen. Der Italiener sah ihn prüfend an, wobei er den Hut in den Händen drehte, als ob er den Wahrheitsgehalt dieser Antwort so besser beurteilen könnte. Womöglich hinterlässt es äußere Erkennungszeichen, wenn einer Soldat gewesen ist, überlegte Max. Wie bei Priestern. Oder bei Prostituierten.
»Ich schon«, sagte Barbaresco dann. »Am Isonzo. Gegen die Österreicher.«
»Interessant.«
Der andere warf ihm wieder einen fragenden, misstrauischen Blick zu.
»In diesem Krieg waren wir Alliierte der Franzosen«, sagte er nach kurzem Schweigen. »Im nächsten wird das nicht mehr so sein.«
Max hob demonstrativ die Brauen.
»Wird es denn einen nächsten geben?«
»Ohne Zweifel. Diese englische Arroganz gepaart mit der französischen Dummheit ... Und im Hintergrund die Verschwörung der Juden und Kommunisten. Verstehen Sie, was ich meine? Das muss ein böses Ende nehmen.«
»Klar. Die Juden und die Kommunisten. Zum Glück gibt es ja Hitler in Deutschland. Und Ihren Mussolini nicht zu vergessen.«
»Darauf können Sie sich verlassen. Das faschistische Italien ...«
Er brach ab, als käme ihm Max’ ruhiges Einverständnis plötzlich verdächtig vor. Sein Blick schweifte zur Einfahrt des alten Hafens hinüber und zu dem Leuchtturm auf deräußersten Spitze der Klippe und dann zurück über den langgezogenen Bogen, den Strand und Stadt beschrieben, die sich auf der anderen Seite von Rauba-Capeù erstreckte, am Fuße der von rosa und weißen Villen übersäten grünen Hügel.
»Diese Stadt wird wieder uns gehören.« Betrübt senkte er die Lider. »Eines Tages.«
»Dagegen habe
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