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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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frostige Lächeln – »mag sein, dass ich dich brauche.«
    »Ich sehe nicht, wobei. Von Schach verstehe ich so gut wie ...«
    »Es geht hier nicht nur um Schach. Auch das sagte ich dir bereits: eins nach dem anderen.«
    Erneut sind sie stehengeblieben. Sie lehnt sich rücklings an eine Säule, und unwillkürlich fühlt sich Max von der alten Faszination überwältigt. Trotz der Jahre ist ihre rassige Schönheit sehr präsent, vielleicht nicht dieselbe Schönheit wie vor dreißig Jahren, aber ihre Bewegungen lassen ihn noch immer an eine geschmeidige Gazelle denken. Bei der Erinnerung überkommt ihn leise Wehmut. Unter seinem aufmerksamen Blick verschmelzen die Züge der Frau, die ihm jetzt gegenübersteht, mit denen in seinem Gedächtnis: dem Gesicht einer einzigartigen Frau, der die mondäne Welt früher verschmitzte Komplizin, kniefällige Schuldnerin und hell erleuchtete Bühne zugleich war. Und vor seinen erstaunten Augen erblüht die Magie dieser Schönheit aufs Neue, triumphiert über die welke Haut, die Falten und Flecken der Zeit und des Alters.
    »Mecha ...«
    »Sei still. Lass es gut sein.«
    Er schweigt einen Augenblick. Wir haben nicht an dasselbe gedacht, überlegt er. Vermutlich nicht.
    »Was habt ihr mit Irina und Karapetian vor?«
    »Mein Sohn hat sich die ganze Nacht Gedanken darüber gemacht, und heute Morgen sind wir alles noch einmal gemeinsam durchgegangen ... Wir müssen ihn ködern.«
    »Ködern?«
    Die Engländerinnen haben sich dem Gartenbereich genähert, und Mecha senkt die Stimme. Es gehe um die Planung eines bestimmten Spielzuges, oder mehrerer, um der Gegenseite auf den Zahn zu fühlen. Je nachdem, wie sich Sokolow verhalte, könne man daraus schließen, ob er von einem der Sekundanten seines Gegenspielers vorab informiert worden sei.
    »Ist diese Methode sicher?«
    »Nicht hundertprozentig. Der Russe kann so tun, als verwirrte ihn der Zug oder als hätte er Schwierigkeiten, darauf zu reagieren, um darüber hinwegzutäuschen, dass er Bescheid weiß. Er kann das Problem auch auf eigene Faust lösen. Aber vielleicht liefert er uns irgendein Indiz. Gerade Sokolows Selbstsicherheit könnte uns dabei nützlich sein. Hast du bemerkt, mit welcher Herablassung er Jorge behandelt? Mein Sohn ist ihm ein Ärgernis, weil er so jung und so keck ist. Womöglich ist das einer der Schwachpunkte des Weltmeisters. Er hält sich für unangreifbar. Und allmählich dämmert mir auch, warum.«
    »Wen wollt ihr diesem Test unterziehen, Irina oder Karapetian?«
    »Beide. Jorge hat zwei theoretische Neuerungen entdeckt, zwei neue Ideen für eine bestimmte Position, sehr kompliziert, die noch nicht in die Turnierpraxis eingeführt wurden. Beide sind als Antwort auf eine von Sokolows bevorzugten Eröffnungen anwendbar, und er will sie als Lockvögel benutzen. Er wird Karapetian mit der Ausarbeitung einer dieser Varianten beauftragen und Irina mit der anderen und ihnen untersagen, sich auszutauschen, vorgeblich, damit sie sich nicht gegenseitig ablenken und beeinflussen.«
    »Und dann wird er entweder die eine oder die andere spielen? Um so den Verräter zu entlarven?«
    »Es ist komplizierter, aber so ungefähr könnte man es auf den Punkt bringen ... Und ja: Durch den Zug, mit dem Sokolow darauf antwortet, wird Jorge wissen, auf welche der beiden Varianten er vorbereitet war.«
    »Du bist anscheinend sehr sicher, dass Irina von der Hinterlist deines Sohnes nichts ahnt. Das Bett zu teilen heißt, Geheimnisse zu teilen.«
    »Sagt dir das deine Erfahrung?«
    »Das sagt mir der gesunde Menschenverstand. Immerhin geht es hier um einen Mann und eine Frau«
    »Du kennst Jorge nicht«, sagt sie und lächelt schmallippig. »Seine Fähigkeit, sich abzuschotten, wenn es um Schach geht. Sein Misstrauen gegen alles und jeden: seine Freundin, seinen Lehrer, sogar seine Mutter. Schon unter normalen Umständen. Also stell dir vor, wie das jetzt ist, bei dieser Nervenanspannung.«
    »Unglaublich.«
    »Nein. Nur Schach.«
    Max, der im Stillen rekapituliert, begreift allmählich: Karapetian und das Mädchen; Geheimnisse, trotz eines gemeinsamen Kopfkissens; Misstrauen und Verrat. Lektionen des Lebens.
    »Ich verstehe immer noch nicht, warum du mir das alles erzählst. Warum vertraust du dich mir an? Wir haben uns dreißig Jahre nicht gesehen ... Du weißt doch gar nicht, wie oder wer ich heute bin.«
    Sie drückt sich von der Säule ab und nähert ihr Gesicht dem seinen. Fast berührt sie ihn, als sie ihm flüsternd antwortet. Und

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