Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Anflug von Groll. Er versteht sich auf solche Zwischentöne.
»Und?«, fragt er sanft.
»Nichts.« Irina schüttelt den Kopf, und Max’ Spiegelbild tanzt in den dunklen Gläsern. »Dann kommt er herunter, sie ist schon da und hat alles gerichtet, Apfelsinensaft, Kaffee und Toast. Und wartet auf ihn.«
Die roten und grünen Lichter eines Bootes, das den Hafen von Nizza verließ, glitten langsam dahin zwischen dem dunkel gefleckten Meer und dem Himmel, gegen den sich das kleine Schiff im Aufflammen des Leuchtturms scherenschnittartig abhob. Vom Hafen getrennt durch die düstere Masse des Schlosshügels, erstreckte sich auf der anderen Seite die Stadt, rahmte die Engelsbucht mit einer leicht nach Süden geschwungenen Lichtkontur, von der sich einige Punkte abgelöst und die unsichtbaren Hügel erklommen hatten.
»Mir ist kalt«, sagte Mecha Inzunza fröstelnd.
Sie saß am Steuer des Wagens, den sie selbst bis dorthin gefahren hatte, in ihrem hellen Kleid und einem bestickten Seidenschal mit langen Fransen um die Schultern. Auf dem Beifahrersitz beugte sich Max nach vorn, zog die Jacke aus und legte sie ihr über. In Hemdsärmeln und der leichten Smokingweste empfand auch er die morgendliche Kühle, die allmählich durch die Ritzen des geschlossenen Verdecks kroch.
Mecha kramte in ihrer Handtasche. Er hörte sie eine Zigarettenschachtel zusammenknüllen. Sie hatte das Päckchen, nach dem Abendessen und während sie dort im Auto saßen, leer geraucht. Und Max kam es vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen, seit er seinen Platz an der Tafel eingenommen hatte, zwischen einer sehr schlanken, reifen und kultivierten Französin, Schmuckdesignerin bei Van Cleef & Arpels, und der jungen Frau mit dem aufdringlichen Parfüm, einer Sängerin, Schauspielerin und, wie sich herausstellte, amüsanten Tischgenossin namens Eva Popescu. Während des Essens erwiessich Max als aufmerksamer Tischherr und Gesprächspartner, obgleich er sich letztlich vorwiegend der jungen Blonden widmete, die hocherfreut war – ich bin verrückt nach Tango, behauptete sie –, dass der hübsche, adrette Kavalier zu ihrer Linken aus Argentinien stammte. Das Mädchen lachte viel, vor allem, wenn Max sich auf originelle Weise eine Zigarette anzündete oder das Glas zum Mund führte, indem er Filmschauspieler wie Leslie Howard oder Laurence Olivier parodierte oder eine seiner Anekdoten zum Besten gab – er war ein unterhaltsamer Erzähler, und sein spanischer Akzent gefiel den Französinnen –, bei denen sich auch die Schmuckdesignerin mit lächelndem Interesse vorbeugte. Und bei jeder Lachsalve der jungen Popescu, wie überhaupt während des gesamten Essens, kämpfte er gegen seine innere Unruhe an, weil er sich von Mecha Inzunza, die am anderen Ende des Tisches neben dem Chilenen mit dem blonden Schnurrbart saß, beobachtet fühlte. Und nach dem Dessert sah er sie zwei Tassen Kaffee trinken und vier Zigaretten rauchen.
Um nichts zu forcieren, mieden Mecha und Max einander, nachdem die Gesellschaft den Speisesaal verlassen hatte. Und später, als er und Asia Schwarzenberg sich mit dem Ehepaar Coll, der jungen Popescu und dem chilenischen Diplomaten unterhielten, trat die Gastgeberin zu der Gruppe, wandte sich an die Baronin und teilte ihr mit, eine liebe Freundin, die allein aus Antibes gekommen sei, wolle nach Hause, weil sie gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe sei, und sie, Susana Ferriol, wäre Asia Alexandrowna sehr dankbar, wenn sie gestattete, dass Max ihre Freundin heimfährt, denn, wie sie soeben erfahren habe, seien die beiden alte Bekannte. Max bestätigte dies und erklärte sich sofort bereit, und nach einem kurzen, kaum merklichen Zögern war auch die Schwarzenberg einverstanden. Selbstverständlich habe sie nichts dagegen einzuwenden, behauptete sie mit liebenswürdiger Anteilnahme. Immerhin, fügte sie jedoch mit feinsinnigerBosheit hinzu, sei Max der perfekte Begleiter für jede Dame, ob sie nun gesundheitlich auf der Höhe sei oder nicht. Man lächelte verständnisvoll, tauschte Entschuldigungen und Dankesbezeugungen, und nachdem die Baronin Max noch einen langen, prüfenden Blick zugeworfen hatte – unglaublich, wie du das wieder gedeichselt hast, schien dieser Blick bewundernd zu sagen –, begleitete ihn Susana Ferriol hinaus, wobei sie ihn mit neu erwachter, kaum verhohlener Neugierde aus dem Augenwinkel musterte, bis sie den Vorraum erreicht hatten. Dort stand Mecha Inzunza, den Schal um die Schultern gelegt, und wartete auf
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