Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
ihn. Nach der förmlichen Verabschiedung traten sie vor das Haus, wo zu seiner Überraschung kein großes Auto mit Chauffeur stand, sondern ein kleiner zweisitziger Citroën 7C mit laufendem Motor, den ein Diener soeben vorgefahren hatte. Mecha blieb an der offenen Wagentür stehen, um einen Taschenspiegel herauszuholen und sich unter den Laternen, die die Rotunde und die Treppe erleuchteten, die Lippen nachzuziehen. Dann stiegen sie ins Auto, und sie fuhr fünf Minuten lang schweigend, während Max ihr Profil betrachtete, wann immer die Mauern der Villen das Scheinwerferlicht reflektierten und das Wageninnere erhellten, bis sie am Meer auf einer Aussichtsplattform, nahe dem Lazareto zwischen Pinien und Agaven anhielt, von wo aus man den Leuchtturm und die Hafeneinfahrt, den dunklen Hang des Schlosshügels und dahinter die Lichter von Nizza sehen konnte. Mecha schaltete den Motor aus, und sie begannen zu reden. Sie sprachen lange, zeitweise unterbrochen von ausgedehntem Schweigen, und rauchten im dämmrigen Schimmer der fernen Lichter und der Glut ihrer Zigaretten. Ohne sich einander zuzuwenden.
»Gib mir eine von deinen türkischen, bitte.«
Sie hatte immer noch ein bisschen diesen Tonfall und diese selbstverständliche Art, die Max schon an Bord der Cap Polonio aufgefallen war, typisch für die jungen Frauen seinerGeneration, beeinflusst durch Filme, Romane und Frauenzeitschriften. Jetzt, neun Jahre später, war sie jedoch kein Mädchen mehr. Sie musste zweiunddreißig oder dreiunddreißig Jahre alt sein, rechnete er nach. Drei Jahre jünger als er.
»Natürlich. Entschuldige.«
Er holte das Etui aus der Innentasche seiner Jacke, nahm eine Zigarette heraus, zündete sie mit dem Dunhill an, zog einmal, während er das Feuerzeug brennen ließ, und steckte sie ihr dann zwischen die Lippen. Bevor er die Flamme löschte, sah er wieder kurz ihr Profil, so regungslos wie jedes Mal, wenn der Strahl des Leuchtturms über ihr Gesicht huschte.
»Du hast mir nicht gesagt, wo dein Mann ist.«
Die Frage beschäftigte ihn schon den ganzen Abend. Obwohl inzwischen Jahre vergangen waren, wurde er jetzt von Erinnerungen geradezu überflutet. Von aufwühlenden Bildern. Durch die Abwesenheit Armando de Troeyes wirkte die Situation wie verstümmelt. Unvollständig. Noch unwirklicher.
Die Zigarettenglut glomm zweimal auf, ehe Mecha antwortete.
»Er ist in Madrid im Gefängnis. Sie haben ihn ein paar Tage nach dem Militäraufstand verhaftet.«
»Trotz seiner Berühmtheit?«
Sie lachte bitter auf.
»Nicht trotz, eher wegen. So ist Spanien, schon vergessen? Die Hochburg des Neides, der Verrohung und der Niedertracht.«
»Dennoch erscheint es mir unglaublich. Warum er? Ich wusste gar nicht, dass er politisch aktiv war.«
»Er hat sich nie zu irgendeiner Seite bekannt. Aber ebenso wie er unter Republikanern und Linken Freunde hat, hat er auch welche unter den Monarchisten und Rechten. Dazu kommt, dass man ihm seinen internationalen Erfolg verübelt. Obendrein sind in Le Figaro ein paar Aussagen von ihm über das politische Durcheinander und den Mangel an Regierungsautorität erschienen, womit er sich noch ein paar mehr Feinde eingehandelt hat. Und zu allem Überfluss ist der Geheimdienstchef der Republikaner Kommunist und ebenfalls Komponist, aber so mies, dass es kaum auszuhalten ist. Das sagt wohl alles.«
»Ich dachte, sein Prestige würde euch schützen. Eure einflussreichen Freunde, sein Ruf im Ausland ...«
»Das dachte er auch. Genau wie ich. Aber wir haben uns getäuscht.«
»Warst du dabei?«
Mecha nickte. Die Militärrebellion habe sie in San Sebastián überrascht; und als Armando de Troeye erkannt habe, worauf das Ganze hinauslaufen würde, habe er sie überredet, das Land zu verlassen. Sie hätten ausgemacht, sich in Biarritz zu treffen, aber er habe vorher noch nach Madrid fahren wollen, um einige Familienangelegenheiten zu regeln. Und kaum dort angekommen, sei er von der Pförtnerin denunziert und anschließend verhaftet worden.
»Hast du Nachricht von ihm?«
»Nur einen Brief, den er vor drei Monaten im Gefängnis Modelo geschrieben hat. Ich weiß nicht, ob er noch dort ist. Ich habe mit Hilfe von Freunden alle Hebel in Bewegung gesetzt, und auch Picasso und das Internationale Rote Kreuz setzen sich für ihn ein ... Wir haben einen Gefangenenaustausch gegen einen anderen Häftling der nationalen Zone vorgeschlagen, bisher ohne Erfolg. Und von beiden Seiten werden ständig Hinrichtungen gemeldet.«
»Hast
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