Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Abenteuer, das Leben in der Schwebe zwischen einer Station und der nächsten, die Möglichkeit, lukrative Bekanntschaften zu schließen, die vornehme Klientel der Speisewagen. Sich auf der schmalen Liege eines Schlafwagenabteils auszustrecken und zu rauchen, allein oder in weiblicher Gesellschaft, und auf das Rattern der Gleisschwellen zu lauschen. Aus einem dieser Schlafwagenabteile – Orient-Express, die Strecke von Istanbul nach Wien, erinnerte er sich – war er an einem kalten Tag um vier Uhr morgens im Bahnhof von Bukarest ausgestiegen, hatte sich leise angezogen und geräuschlos die Tür zum Gang hinter sich geschlossen, sein Gepäck zurückgelassen, ebenso wie den falschen Pass in der Kabine des Schaffners, die Manteltaschen prall gefüllt mit Schmuck im Wert von zweitausend Pfund Sterling. Als er das zweite Plakat anschaute, musste er lächeln. Er kannte den Ort, von dem aus der Künstler die Landschaft gemalt hatte: einen Aussichtspunkt unter Pinien mit Blick auf den Golfe Juan, wo ein Stück Land zu sehen war, das ihm eineinhalb Jahre zuvor eine üppige Vermittlerprovision eingebracht hatte, als er, zusammen mit einem alten ungarischen Komplizen namens Sándor Esterházy, den Verkauf an eine vermögende Amerikanerin – Mrs. Zundel, die Eigentümerin von Zundel & Strauss in Santa Barbara, Kalifornien – eingefädelt hatte, indem er sie im Lauf einer intimen Beziehung bei Roulette, Tango und Mondschein von der einmaligen Gelegenheit überzeugte, vier Millionen Francs in dieses Grundstück am Meer zu investieren. Wobei er ihr die wichtige Kleinigkeit verschwiegen hatte, dass ein hundert Meter breiter Streifen zwischen dem Grundstück und dem Strand einem anderen Besitzer gehörte und nicht inbegriffen war.
Er würde nicht davonlaufen, entschied er. Die Welt wurdeimmer kleiner und »weit weg« zu wollen, immer sinnloser. Dieser Ort war so gut wie jeder andere, besser sogar: mildes Klima und ideale Nachbarschaft. Falls in Europa ein Krieg ausbräche, wäre es ein guter Platz, den Sturm vorüberziehen zu lassen oder Kapital daraus zu schlagen. Max kannte das Gelände wie seine Westentasche und hatte sich hier noch nichts zuschulden kommen lassen, dagegen sähe er sich in jedem anderen Teil der Welt polizeilicher Verfolgung, Bedrohung und Gefahr ausgesetzt. Jede Chance verlangt einen Einsatz, dachte er. Das Rad des Roulettes braucht Schwung. Und das beinhaltete auch die Briefe des Grafen Ciano an Tomás Ferriol, Fito Mostazas furchteinflößendes Lächeln und die beunruhigende Ernsthaftigkeit der italienischen Spione. Und seit ein paar Stunden ein weiteres ungelöstes Problem: Mecha Inzunza.
La vie est brève:
un peu de rêve,
un peu d’amour.
Fini! Bonjour!
Geistesabwesend trällerte er vor sich hin. Fatalistisch. Niemand hatte behauptet, dass es einfach sein würde, das ärmliche Mietshaus im Stadtteil Barracas und den von gedörrten Leichen übersäten afrikanischen Hang hinter sich zu lassen, wo selbst den Hyänen das Lachen vergangen war. Manchen Menschen – und er war einer von ihnen – blieb keine andere Wahl als die der Wege ohne Wiederkehr. Die Reise ins Ungewisse ohne Rückfahrschein. Zu diesem Schluss gelangt, trank er seinen Kaffee aus, und als er sich erhob, hatte er zu seiner aufrechten, souveränen, in sich selbst ruhenden Haltung zurückgefunden. Maurizio, Portier im Hotel Daniele in Venedig, vor dem vierzig Jahre lang die reichsten Männer und Frauen der Welt stehengeblieben waren, um ihren Zimmerschlüssel entgegenzunehmen, hatte es einmal auf den Punkt gebracht, als er das fürstliche Trinkgeld einstrich, das Max ihm gerade gegeben hatte: »Die einzige ernsthafte Versuchung ist eine Frau, Herr Costa. Meinen Sie nicht auch? Alles andere ist verhandelbar.«
Ein paar Träume,
ein wenig Liebe ...
Ohne Hast, die Hände in den Taschen und eine Zigarette im Mund, verließ er das Café und ging über die nasse Straße, in der sich das graue Licht des Morgens spiegelte, zur Straßenbahnhaltestelle. Es ist schön, glücklich zu sein, dachte er. Und zu wissen, wenn du es bist. Der Cours Saleye roch nicht nach welken Blumen, sondern nach feuchtem Pflaster und jungen Bäumen, von denen der Tau tropfte.
Unter den Engeln und dem blauen Himmel, die an die Decke des Salons im Hotel Vittoria gemalt sind, verfolgt Max von seinem Platz im Publikum aus den Fortgang der Partie auf dem Brett an der Wand, wo jeder Zug abgebildet wird. Seit dem letzten Klicken der Uhr – der dreizehnte Zug von Jorge
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