Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
schwarze Smokingjacke, unter der die hellen Fransen ihres Schals hervorsahen, fest um sich gezogen. Max, nur in Hemd und Weste, fror. Ohne etwas zu sagen, trat er dicht an sie heran, griff zwischen ihren Händen unter den Rockaufschlag und holte das Zigarettenetui aus der Innentasche. Dabei streifte er versehentlich ihre Brust. Mecha ließ es geschehen.
»Das Geld machte alles leicht. Armando konnte mir kaufen, was immer ich wollte. Dinge und Vergnügen jeder Art.«
Max klopfte das Ende der letzten Zigarette auf den Deckel des Etuis und steckte sie zwischen die Lippen. Nach allem, was er in der letzten Nacht in Buenos Aires gesehen und getan hatte, fiel es ihm nicht schwer, sich vorzustellen, welche Art Vergnügen sie meinte. Im kurzen Aufflammen des Feuerzeugs schimmerten sehr nah die Perlen des Colliers.
»Durch ihn habe ich Genüsse entdeckt, die den Genuss verlängern«, setzte sie hinzu. »Die Lust stärker und intensiver machen ... Obszöner, vielleicht.«
Max trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Er wollte das alles nicht hören. Und trotzdem hatte er sich, wie er sich verzweifelt eingestehen musste, selbst daran beteiligt. War Wegbereiter und Komplize gewesen: La Ferroviaria, Casa Margot, die blonde tanguera , Armando de Troeye, abgefüllt mit Alkohol und Kokain, auf dem Sofa der Suite im Hotel Palace, während sie unter seinem glasigen Blick schamlos übereinander herfielen. Die Erinnerung daran erregte ihn noch heute.
»Und dann erschienst du auf der Bildfläche«, redete Mecha weiter. »In diesem Tanzsalon auf dem schwankenden Ozeandampfer. Mit deinem einnehmenden Lächeln. Unddeinen Tangos. Genau im richtigen Moment. Und dennoch ...«
Sie trat einen Schritt zurück, während der Strahl des fernen Leuchtturms über die Felsen des Lazareto und die Villen am Meer strich.
»Was warst du doch für ein Dummkopf, mein Lieber.«
Max stützte sich auf die Brüstung. Dies war nicht das Gespräch, auf das er sich an diesem Abend gefasst gemacht hatte. Kein Vorwurf, keine Drohung. Er war auf eine Auseinandersetzung vorbereitet gewesen, nicht auf so etwas. Er hatte erwartet, den Anklagen und dem verständlichen Zorn einer betrogenen und somit gefährlichen Frau ausgesetzt zu sein, nicht der wunderlichen Melancholie, die in Mecha Inzunzas Worten und Schweigen mitschwang. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass der Begriff Betrug vollkommen fehl am Platz war. Mecha hatte sich in keinem Moment betrogen gefühlt. Nicht einmal, als sie beim Aufwachen im Hotel Palace in Buenos Aires feststellen musste, dass er das Hotel verlassen hatte und ihre Kette verschwunden war.
»Diese Kette ...«, begann er, brach aber, beschämt über die eigene Plumpheit, gleich wieder ab.
»Ach, Gott.« Ihr Ton hätte geringschätziger nicht sein können. »Ich würde sie jetzt sofort ins Meer werfen, wenn es noch einen Sinn hätte, dir etwas zu beweisen.«
Auf einmal schmeckte Max der Tabak bitter. Zuerst war er verstört, mit halb offenem Mund mitten im Wort verstummt, dann durchströmte ihn eine eigenartige, unvermittelte Zärtlichkeit. Ein der Reue sehr ähnliches Gefühl. Er hätte sich ihr genähert und ihr übers Haar gestreichelt, wenn er gekonnt hätte. Wenn sie es zugelassen hätte. Und er wusste, dass sie es nicht zulassen würde.
»Was hast du vor, Max?«
Ein neuer Ton. Härter. Schon war der Moment ihrer Verletzlichkeit wieder vorüber. Mit einer ganz fremden innerenUnruhe, die er nie für möglich gehalten hätte, fragte er sich, wie lange wohl der seine dauern würde. Das warme Pochen, das er eben noch empfunden hatte.
»Ich weiß nicht. Wir ...«
»Ich spreche nicht von uns.« Wieder war Argwohn in ihrer Stimme. »Ich frage dich noch einmal, was du hier in Nizza zu suchen hast ... Bei Suzi Ferriol.«
»Asia Schwarzenberg ...«
»Ich kenne die Baronin. Ihr könnt kein Paar sein. Sie passt nicht zu dir.«
»Sie ist eine alte Bekannte. Es gibt einige Gemeinsamkeiten.«
»Hör zu, Max. Suzi ist meine Freundin. Ich weiß nicht, was du ausheckst, aber ich hoffe, es hat nichts mit ihr zu tun.«
»Ich hecke gar nichts aus. Ich habe dir doch gesagt, dass ich mein Leben geändert habe.«
»Umso besser. Weil ich nämlich entschlossen bin, dich beim leisesten Verdacht anzuzeigen.«
Er lachte gepresst. Verunsichert.
»Das würdest du nicht tun«, behauptete er.
»Lass es nicht darauf ankommen. Das hier ist nicht der Tanzsaal der Cap Polonio.«
Er tat einen Schritt auf sie zu. Diesmal lag keine Berechnung darin.
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