Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Juan-les-Pins oder Eden Roc, und dort weiter zu plaudern. Mecha verfiel darauf in ein Schweigen, wiederholte nur leise das letzte Wort, und schließlich sagte sie, Max solle sich doch einfach in der Küche selbst bedienen, während sie sich umziehen wolle. Ich habe keinen Hunger, sagte sie. Aber ein Spaziergang würde mir guttun.
Und so bummelten sie dann zwischen Pinien, Felsen und angeschwemmten Algenbüscheln am Ufer entlang, die hoch am Himmel stehende Sonne spiegelte sich glitzernd auf dem Wasser und die türkisfarbene Bucht erfüllte den ganzen Horizont, bis an die alte Stadtmauer von Antibes. Mecha trug jetzt eine schwarze Hose, ein blau-weiß gestreiftes Matrosenhemd, eine Sonnenbrille – hinter den dunklen Gläsern einen Hauch Lidschatten –, und unter ihren Sandalen knirschte der grobe Sand neben seinen braunen Brogue-Schuhen. Max war ohne Hut auf dem mit Brillantine frisierten Kopf und hatte die Jacke zusammengefaltet über den Arm gelegt, die Hemdsärmel über den gebräunten Unterarmen zweimal umgeschlagen.
»Tanzt du noch Tango, Max?«
»Gelegentlich.«
»Auch den der alten Garde? Ich nehme an, das kannst du immer noch gut.«
Unbehaglich wandte er den Blick ab.
»Es ist nicht mehr wie früher.«
»Du musst dir damit nicht mehr deinen Lebensunterhalt verdienen, meinst du?«
Er zog es vor, nicht zu antworten. Und dachte daran, wie er sie im Salon der Cap Polonio zum ersten Mal in den Armen gehalten hatte. An die Sonne, die in seinem Pensionszimmer in der Avenida Almirante Brown ihren schlanken Körper beschienen hatte. An ihren Mund und ihre unzüchtige, wilde Zunge, als sie in der Kaschemme in Buenos Aires die Hure von ihm weggestoßen und ihre Stelle eingenommen hatte. An den ungläubigen Blick und das dreckige Lachen ihres Ehemannes, als sie sich vor ihm, der von Alkohol und Drogen benebelt war, vereinigten, dort und später im Hotelzimmer, wo sie in schamloser Nacktheit und mit zügelloser Gier erneut übereinander hergefallen waren. Und er dachte an die hundert Gelegenheiten, bei denen er sich in den vergangenen neun Jahren an all das erinnert hatte, nämlich jedes Mal, wenn ein Orchester die von Armando de Troeye komponierte Melodie anstimmte oder er sie im Radio oder von einem Grammophon hörte. Dieser Tango – zuletzt hatte er ihn vor fünf Wochen im Carlton in Cannes mit der Tochter eines deutschen Stahlfabrikanten getanzt – hatte Max durch die halbe Welt verfolgt und in ihm Gefühle von innerer Leere, Verlorenheit und Verlust ausgelöst, eine heftige, schmerzhafte Sehnsucht nach Mecha Inzunzas Körper, nach dem Ausdruck ihrer goldenen Augen, ganz nahe, weit aufgerissen und wie erstarrt vor Lust. Nach ihrer köstlichen Haut, deren Wärme und Feuchte er noch zu spüren glaubte, so deutlich erinnerte er sich, und die ihm jetzt auf so unerwartete, sonderbare Weise wieder dermaßen nah war.
»Erzähl mir etwas über dich«, sagte sie.
»Über welchen Teil von mir?«
»Diesen.« Ihre Geste schien ihn vollständig zu umfassen. »Über den, der in diesen Jahren wichtig war.«
Und Max erzählte, mit Bedacht, ohne zu viel preiszugeben oder zu dick aufzutragen. Geschickt verwob er Wirklichkeit und Erdachtes und garnierte seinen Bericht mit witzigen kleinen Anekdoten und pittoresken Szenen, mit denen er heiklere Situationen zu umschiffen trachtete. Mit der ihm eigenen Gewandtheit passte er die wahre Geschichte der Figur an, die er in diesem Augenblick verkörperte: die eines erfolgreichen, weltläufigen Geschäftsmannes, gern gesehener Gast in Fernzügen, auf Überseeschiffen und in teuren Hotels in Europa und Südamerika, kultiviert, lebenserfahren, Umgang pflegend mit vornehmen, wohlhabenden Menschen. Er redete ohne zu wissen, ob sie ihm glaubte oder nicht, und er vermied sicherheitshalber jede Anspielung auf die illegalen Aspekte seines Tuns oder deren Konsequenzen: einen kurzfristigen Aufenthalt in einem Gefängnis von Havanna, der ein glückliches Ende fand; einen unbedeutenden Zwischenfall mit der Polizei in Krakau nach dem Selbstmord der Schwester eines reichen polnischen Pelzhändlers; oder den Schuss, der beim Verlassen einer Berliner Spielhölle nach einer Nacht des verbotenen Glücksspiels sein Ziel verfehlt hatte. Er erwähnte weder das Geld, das er in diesen Jahren ebenso leicht verdient wie ausgegeben hatte, noch die Ersparnisse, die er für den Notfall in Monte Carlo aufbewahrte, oder die alte, äußerst produktive Beziehung zu dem Tresorknacker Enrico Fossataro. Und
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