Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
litt.
»Ich war noch sehr jung«, sprach sie weiter. »Ich fühlte mich wie eine Schauspielerin, die ihrem Publikum gefallen will und auf Beifall hofft.«
»Du warst verliebt. Das erklärt vieles.«
»Ja ... Damals habe ich ihn wahrscheinlich geliebt. Sehr sogar.«
Mit diesen Worten neigte sie den Kopf zur Seite. Sie blickte unruhig umher, als suchte sie nach einem Bild oder einem Wort. Einer Erklärung vielleicht. Dann schien sie es aufzugeben, und ihre Stimme bekam einen Unterton spöttischer Resignation.
»Ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, dass es dabei auch um mich ging, nicht nur um ihn. Dass auch ich dunkle Seiten hatte. Manchmal hat er mich geschlagen. Oder ich ihn. Andernfalls wäre ich niemals so weit gegangen. Nicht einmal ihm zuliebe ... In Berlin überredete er mich dazu, es mit zwei jungen Kellnern aus einer Bar in der Tauentzienstraße zu treiben. In dieser Nacht rührte er mich überhaupt nicht an. Für gewöhnlich kam er zu mir, wenn die anderen fertig waren, aber dieses Mal blieb er sitzen, rauchte und schaute bis zum Schluss nur zu ... Es war das erste Mal, dass ich es wirklich genoss, beobachtet zu werden.«
Sie schilderte das alles in neutralem Ton. Als würde sie die Beilage eines Medikaments vorlesen, dachte Max. Und doch schien sie gespannt auf die Wirkung ihrer Worte. Ein kühles, fast wissenschaftliches Interesse, dachte er. Der Kontrast zu seinen eigenen, tief verstörten Gefühlen war so gewaltig wie der zwischen dem gleißenden Licht und einem schwarzen Schattenstreifen. Diese Frau entfachte seine Eifersucht, erkannte er eher erschrocken als verwundert, überwältigt von einer seltsamen, nie zuvor empfundenen Verzweiflung. Einem plötzlichen Aufwallen unbefriedigten Verlangens. Animalischer Zorn. Rachsucht.
»Armando leitete mich an«, sagte sie. »Geduldig, methodisch, wie es seine Art ist, lehrte er mich, beim Sex den Kopf einzusetzen. Dessen unerschöpfliche Möglichkeiten. Das Körperliche ist nur ein Teil, sagte er immer. Die nötige, unverzichtbare Materialisation alles Übrigen. Eine Frage der Harmonie.«
Sie waren auf dem Rückweg zum Haus, blieben jetzt einen Moment stehen, Mecha schlüpfte aus den Sandalen, um den Sand herauszuschütteln, und hielt sich dabei ganz selbstverständlich an Max’ Arm fest.
»Danach lag ich im Bett und hörte ihn in seinem Studio am Klavier arbeiten bis zum Morgengrauen. Und bewunderte ihn noch mehr.«
Es gelang ihm, seine Zunge vom Gaumen zu lösen.
»Benutzt du immer noch deinen Kopf?«
Er klang heiser, seine Stimme rau. Das Sprechen schmerzte ein wenig.
»Warum fragst du mich das?«
»Dein Mann ist nicht hier.« Mit einer ausladenden Geste umschrieb er die Bucht, Antibes, die ganze Welt. »Und wird wahrscheinlich so bald nicht wiederkommen. Dein Mann mit seiner mathematischen Eleganz.«
Er starrte Mecha in die Augen, feindselig und lauernd.
»Willst du wissen, ob ich mit anderen Männern schlafe? Oder mit anderen Frauen? Obwohl er nicht dabei ist? Das tue ich, Max.«
Ich will hier weg, dachte er, verblüfft über sich selbst. Raus aus dieser Sonne, in der ich nicht klar denken kann. Die mir das Hirn und den Mund austrocknet.
»Ja«, wiederholte sie. »Manchmal tue ich das.«
Sie hielt abermals inne, das Licht am Strand ein einziges Flirren. Die sachte Brise wehte ihr das Haar ins gebräunte Gesicht.
»Wie Armando«, fügte sie matt hinzu, »oder du.«
In ihren Brillengläsern spiegelten sich die Küste, die grünen Kronen der Pinien und der Strand vor dem türkisblauen Meer. Max betrachtete sie eingehend, ihre Silhouette in dem gestreiften, leicht verschwitzten Hemd. Sie war noch schöner als in Buenos Aires, dachte er mutlos. Fast überirdisch schön. Zweiunddreißig Jahre alt, das ideale Alter, das Alter weiblicher Vollendung. Mecha Inzunza gehörte zu diesen Frauen, von denen die Soldaten in ihren Schiffskojen und Schützengräben träumten. Wegen solcher Frauen hatten Männer seit Jahrtausenden Kriege geführt, Städte niedergebrannt und gemordet.
»Es gibt eine Pension ganz in der Nähe«, sagte sie unvermittelt. »Sie heißt Semaphore. In der Nähe des Leuchtturms.«
Er sah sie an, verdutzt zunächst. Mecha wies auf einen Pfad, der hinter einer weißen, von Palmen und Agaven umstandenen Villa zwischen den Pinien verlief.
»Eine günstige Unterkunft für Touristen auf der Durchreise. Mit einem kleinen Restaurant unter einer wundervollen Magnolie. Man kann dort Zimmer mieten.«
Max verlor nicht leicht die
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