Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Position.
»Ich habe deinen Vater einmal kennengelernt.« Kritisch studiert Max die Lage der drei Kugeln. »Vor vielen Jahren, an der Riviera.«
»Wir haben nicht lange mit ihm zusammengelebt. Meine Mutter hat sich bald von ihm scheiden lassen.«
Max verpasst seiner Kugel einen kurzen, harten Stoß, um sie in die entgegengesetzte Richtung zu spielen und über Bande auf die übrigen treffen zu lassen.
»Als ich ihm begegnet bin, warst du noch nicht auf der Welt.«
Der junge Mann gibt keine Antwort. Er schweigt, während Max eine zweite Karambolage gelingt und, da ihm eine dritte zu schwierig erscheint, Kellers Spielball ungünstig in eine Ecke bugsiert.
»Irina ...«, beginnt Max.
Keller, der das hintere Ende des Queues zu einem Piqué gehoben hat, bricht mitten in der Bewegung ab und mustert Max.
»Ich kenne deine Mutter schon sehr lange«, rechtfertigt sich Max.
Keller lässt den Queue ein paarmal vor und zurück gleiten und fast die Kugel berühren, als könnte er sich nicht entschließen, den Stoß auszuführen.
»Ich weiß«, gibt er zurück. »Seit Buenos Aires mit ihrem ersten Mann.«
Zögerlich stößt er schließlich und versagt. Einen Moment lang starrt er auf den Tisch und wendet sich dann mit ärgerlicher Miene Max zu, als machte er ihn für seinen Fehler verantwortlich.
»Ich weiß nicht, was meine Mutter Ihnen über Irina erzählt hat.«
»Wenig ... Oder genug.«
»Sie wird ihre Gründe haben. Aber meiner Meinung nach geht Sie das nichts an. Ihre Gespräche mit meiner Mutter sind nicht meine Angelegenheit.«
»Ich wollte dir nicht ...«
»Schon gut. Ich weiß, dass Sie das nicht wollten.«
Max betrachtet die Hände des jungen Mannes: feingliedrige, lange Finger. Der Zeigefingernagel leicht gebogen, wie sein eigener.
»Als du noch klein warst, hat sie ...«
Keller hebt den Queue und fällt ihm ins Wort.
»Darf ich ehrlich sein, Max? Meine Zukunft steht hier auf dem Spiel. Ich habe Probleme, berufliche und persönliche. Und mit einem Mal erscheinen Sie auf der Bildfläche, ohne dass ich je zuvor von Ihnen gehört hätte. Und meine Mutter ist aus mir unbekannten Gründen erstaunlich offen Ihnen gegenüber.«
Während seine Worte noch in der Luft hängen, betrachtet er den Billardtisch, als hätte er ihn zwischendurch völlig vergessen. Max nimmt die rote Kugel, die in Reichweite liegt, wiegt sie zerstreut in der Hand und legt sie wieder zurück.
»Sie hat dir nichts über mich erzählt?«
»Nein, nur dass Sie ein alter Freund aus ihrer Tango-Zeit sind. Nichts weiter. Ich weiß nicht einmal, ob Sie damals eine Affäre mit ihr hatten oder nicht. Aber ich kenne sie und weiß, wenn jemand ihr etwas bedeutet. Das kommt nicht oft vor.« Obwohl er nicht an der Reihe ist, neigt sich Keller über den Tisch, stößt, und die Kugel prallt dreimal gegen die Bande, ehe sie die andere sauber trifft. »In der Nacht nach dem Wiedersehen mit Ihnen hat sie kein Auge zugetan. Ich habe sie ständig auf und ab gehen hören. Und am nächsten Morgen waren sämtliche Aschenbecher randvoll und ihr Zimmer hat nach Rauch gestunken wie noch nie.«
Sacht trifft Elfenbein auf Elfenbein. Keller wirft das Haar zurück, führt den Queue konzentriert über den Rist der auf das grüne Tuch gestützten Hand und stößt erneut. Er werde nie nervös, hat Mecha gesagt, als sie das letzte Mal über Jorge sprachen. Er kenne weder schlechte Laune noch Traurigkeit. Er spiele einfach Schach. Und diesen Gleichmut hat er von dir, Max, nicht von mir.
»Sie werden verstehen, dass ich misstrauisch bin«, sagt der junge Mann. »Ich habe schon mehr Durcheinander, als ich verkraften kann.«
»Hör zu. Ich wollte ganz bestimmt nicht ... Ich bin lediglich in diesem Hotel abgestiegen. Es handelt sich um einen ganz ungeheuerlichen Zufall.«
Keller scheint nicht zuzuhören. Er starrt auf die Spielkugel, die in einer schwierigen Position liegt.
»Ich möchte nicht unhöflich sein ... Sie sind nett. Bei allen beliebt. Und meine Mutter schätzt Sie offensichtlich sehr, wenn auch auf eine merkwürdige Weise. Aber Sie habenetwas an sich, das mich stutzig macht. Und das mir nicht gefällt.«
Das Geräusch des Stoßes ist diesmal so heftig, dass Max zusammenzuckt. Die Kugeln verteilen sich nach allen Seiten, prallen gegen mehrere Banden und bleiben in unmöglichen Positionen liegen.
»Vielleicht ist es Ihre Art zu lächeln«, fügt Keller hinzu. »Mit dem Mund, meine ich. Ihre Augen scheinen dabei ganz woanders zu sein.«
»Also, du
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