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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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so mobilisierte er all seine Selbstbeherrschung, um den Akt selbst auszudehnen, die Liebkosungen, die Ausfälligkeiten, ihre eruptive Gewalttätigkeit – zweimal verabreichte sie ihm eine Ohrfeige, als er sie zu unterwerfen versuchte –, das lustvolle Knurren, das Keuchen, Streicheln, nach Atem Ringen, die vielen verschiedenen Arten zu küssen, zu lecken, zu beißen ... Max hatte den Spiegel an der Wand völlig vergessen, sie jedoch nicht; und er ertappte sie immer wieder dabei, wie sie hinüberblickte, das Gesicht zur Seite gedreht, während er sich an ihrem Körper und ihrem Mund zu schaffen machte, sich und ihn beobachtete, bis auch Max den Kopf hinüberwandte und sich und sie dort erblickte, allem Anschein nach in einen gnadenlosen Kampf verwickelt, seinen gespannten Rücken über dem Körper der Frau, die Arme verkrampft, Muskeln und Sehnen zitternd vor Anspannung, während er sie festzuhalten und sich selbst zusammenzureißen versuchte und sie sich wie ein wildes Tier gebärdete, sich mit Bissen und Schlägen wehrte und sich ihm plötzlich gehorsam, gefügig darbot, dieAugen in Erwartung seiner Reaktion fest auf sein Spiegelbild gerichtet, ihn endlich oder endlich wieder in sich aufnahm, in ihr vor Lust geschwollenes Fleisch, und sich allmählich dem uralten Ritual völliger Hingabe überließ. Und nachdem Max sich und ihr im Spiegel zugesehen hatte, drehte er den Kopf, um sie abermals direkt anzuschauen, ihr wirkliches Gesicht, kaum eine Handbreit von seinen Augen und seinen Lippen entfernt, als er die honigfarbene Iris spöttisch aufblitzen und um ihren Mund ein belustigtes Lächeln spielen sah, das alles leugnete: die scheinbare Herrschaft des Mannes und ihre eigene Unterwerfung. Da versagte schließlich Max’ Willenskraft; und wie ein besiegter Gladiator vergrub er das Gesicht am Hals der Frau, vergaß alles um sich herum und ergoss sich langsam, heftig, hilflos in Mecha Inzunzas dunklen, warmen Schoß.

10 DER KLANG VON ELFENBEIN
    Max hat keine gute Nacht hinter sich. Habe schon besser geschlafen, hat er an diesem Morgen gedacht, als er aus dem Dämmerzustand erwachte, der ihm keine wirkliche Erholung verschafft hatte. Er hat es wieder gedacht, als er vor dem Spiegel des Hotelbadezimmers stand und sich mit dem Braun-Elektrorasierer über das Kinn fuhr, beim Anblick der Tränensäcke in seinem müden Gesicht, in dem sich neben den allgemeinen Verwüstungen der Zeit auch die jüngsten Ereignisse abzeichneten. Sich neben den Fehlschlägen, Niederlagen und bösen Überraschungen seines bisherigen Lebens unvermittelt neue Ungewissheiten eingeschrieben haben, jetzt, da eigentlich keine Rechnungen mehr offen sind, oder er es zumindest bisher so gesehen hat; jetzt, da es zu spät ist, das Erlebte mit neuen Etiketten zu versehen. Während er sich letzte Nacht unruhig im Bett hin und her warf, in der Schwebe zwischen Schlafen und Wachen, glaubte er mehrmals das Getöse zu hören, mit dem seine alten Gewissheiten in sich zusammenstürzten, so laut, als fiele ein Stapel Teller zu Boden. Die ganze Essenz seines bewegten Lebens, soweit er sie bis vor wenigen Stunden über seine diversen Schiffbrüche hinweggerettet zu haben glaubte, hatte in einem mondänen Gleichmut bestanden, den er mit galanter Gelassenheit zur Schau trug. Doch diese stoische Seelenruhe, die noch bis gestern sein festes Bollwerk und seine einzige Sicherheit gewesen war, liegt nun in Trümmern. Seit seinem Gespräch mit Mecha im Hotelgarten ist alles anders.
    Sein Instinkt treibt ihn zur Flucht, rät ihm, diesem absurden, sinnlosen Abenteuer – er weigert sich, es Romanze zu nennen, dieses Wort hat er immer verabscheut – sofort ein Ende zu setzen und an die Arbeit in der Villa Oriana zurückzukehren, um noch Schlimmeres zu vermeiden. Mit dem forcierten Grinsen des guten Verlierers zu vergessen, was war, sich mit dem abzufinden, was ist, und zu akzeptieren, was niemals sein wird. Und doch verspürt er diesen Reiz, diese Risikofreude, die einen ins Verderben stürzen, manchmal allerdings auch dazu führen können, dass die Roulettekugel auf dem richtigen Zahlenfeld landet. Und es gibt Abzweigungen, die man, entgegen der Maßgabe elementarer Vernunft, nicht einfach passieren kann, sobald man sie erst einmal bemerkt hat. Weil die Verlockung, Antworten auf niemals gestellte Fragen zu finden, zu groß ist.
    Eine dieser Antworten wartet womöglich im Billardsaal des Hotels Vittoria. Max hat eine ganze Weile danach gesucht und ihn dort gefunden, wo er

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