Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Zeitung.
»Er sagt, er macht es heute Nacht«, sagte Barbaresco.
Die melancholische Miene des anderen hellte sich ein wenig auf. Er nickte befriedigt, legte die Zeitung auf den Tisch und wies auf die Kaffeekanne, die dort neben zwei benutzten Tassen, einem Ölkännchen und einem Teller mit Toastkrümeln stand. Max lehnte dankend ab, während er den Mantel aufknöpfte. Von draußen fiel fahles Licht herein, das die Schatten in den Zimmerecken vertiefte. Barbaresco zog den Regenmantel aus und trat ans Fenster.
»Was ist mit Ihrem spanischen Freund?«, fragte er, nachdem er einen Blick in den trüben Himmel geworfen hatte.
»Er ist weder mein Freund noch habe ich ihn wiedergesehen«, erwiderte Max ruhig.
»Seit Ihrem Gespräch am Hafen nicht?«
»Ganz recht.«
Der Italiener hatte seinen Mantel über eine Stuhllehne gehängt, ohne sich um die Tropfen zu kümmern, die zu Boden fielen und auf den Dielen kleine Lachen bildeten.
»Wir haben Erkundigungen eingezogen«, sagte er. »Alles, was er Ihnen gesagt hat, stimmt: der Radiosender der Nationalisten in Monte Carlo, der Versuch, die Luciano Canfora zu einem republikanischen Hafen umzuleiten ... Das Einzige, was wir bisher nicht herausfinden konnten, ist seine wahre Identität. Bei uns ist kein Rafael Mostaza registriert.«
Max’ Miene war ohne Ausdruck, ungerührt wie die eines Croupiers.
»Sie könnten ihn doch beschatten. Ich weiß nicht ..., ihn fotografieren.«
»Vielleicht tun wir das.« Barbaresco grinste eigentümlich.»Aber dafür müssen wir wissen, wann Sie sich wieder mit ihm treffen.«
»Wir haben nichts verabredet. Er taucht einfach auf oder bestellt mich ein. Das letzte Mal hat er mir eine Nachricht an der Rezeption des Negresco hinterlassen.«
Der Italiener sah ihn erstaunt an.
»Weiß er etwa nicht, dass Sie heute Nacht ins Haus von Susana Ferriol einsteigen wollen?«
»Er weiß es, hat aber nichts dazu gesagt.«
»Und wie will er dann an die Unterlagen kommen?«
»Keine Ahnung.«
Der Italiener wechselte einen verdutzten Blick mit seinem Kollegen, dann sah er wieder Max an.
»Merkwürdig, oder? Dass es ihn nicht schert, wenn Sie uns alles erzählen. Sie sogar dazu animiert. Und dass er heute nicht erscheint.«
»Mag sein«, gestand Max gleichmütig zu. »Aber über diese Dinge habe ich nicht zu befinden. Die Spione sind Sie.«
Er holte das Etui heraus, öffnete es und blickte hinein, als wäre es von Bedeutung, welche der Zigaretten er wählte. Nach einer Weile steckte er sich irgendeine in den Mund und verwahrte das Etui, ohne ihnen eine Zigarette anzubieten.
»Sie beherrschen Ihr Metier, nehme ich an«, fügte er hinzu und ließ das Feuerzeug aufflammen.
Barbaresco ging wieder ans Fenster und beugte sich hinaus. Er wirkte nachdenklich. Als hätte er neuerlichen Grund zur Sorge.
»Normal ist das jedenfalls nicht. Sie in dieser Form in sein Spiel einzuweihen.«
»Vielleicht will er ihn schützen«, warf sein Kollege ein.
»Mich? Vor wem denn?«
Domenico Tignanello betrachtete stumm die Härchen auf seinem Unterarm. Er war wieder in Schweigen versunken, als hätte ihn die Anstrengung, den Mund zu öffnen, erschöpft.
»Vor uns«, antwortete Barbaresco statt seiner. »Vor seinen Leuten. Vor Ihnen selbst.«
»Wenn Sie es herausgefunden haben, lassen Sie es mich wissen.« Max blies eine Rauchwolke aus. »Ich habe andere Probleme, die mich beschäftigen.«
Mit einem Stirnrunzeln ließ sich der Italiener in einen der Sessel sinken.
»Wir sollen doch nicht etwa an der Nase herumgeführt werden, oder?«, sagte er schließlich.
»Von diesem Mostaza oder von mir?«
»Von Ihnen natürlich.«
»Wie denn? Ich habe gar keine Wahl. Aber an Ihrer Stelle würde ich diesen Kerl ausfindig machen. Und die Sache mit ihm klären.«
Barbaresco tauschte wieder einen Blick mit seinem Kollegen. Dann warf er einen vielsagenden Blick auf Max’ Aufmachung.
»Die Sache klären ... Wie vornehm das aus Ihrem Mund klingt.«
Diese beiden, dachte Max zum wiederholten Mal, mit ihren zerknitterten Anzügen, den Tränensäcken unter den geröteten Augen und den unrasierten Visagen sehen immer aus, als hätten sie sich die Nacht um die Ohren geschlagen. Und wahrscheinlich war es auch so.
»Was uns zur entscheidenden Frage bringt«, fuhr Barbaresco fort. »Wie gedenken Sie, in das Haus zu kommen?«
Max betrachtete die feuchten Schuhe des Italieners, deren Sohlen an den Spitzen rissig waren. Bei diesem Regen dürften sich seine Socken vollgesogen haben wie
Weitere Kostenlose Bücher