Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Liebkosung. »Du solltest es dir morgen bei Tageslicht noch einmal ansehen. Vielleicht kommt dir dann eine Idee.«
»Es könnte einen anderen Weg geben.« Er hörte ihr nur mit halbem Ohr zu. »Wenn ich jünger und gelenkiger wäre ... Zu viele Konjunktive, fürchte ich.«
Mecha zog ihre Hand zurück.
»Ich gebe dir alles, was ich habe, Max. So viel du verlangst.«
Überrascht sah er sie an. Ihr Profil in der Dunkelheit, konturiert von den schwachen Lichtern aus der Ferne und dem Schein ihrer Zigarettenglut.
»Das ist natürlich eine Floskel«, bemerkte er.
Das Profil regte sich. Ein zweifaches kupferfarbenes Funkeln traf Max. Ihr eindringlicher Blick.
»Ja, das ist eine Floskel.« Zweimal glomm die Zigarette auf. »Aber du bekommst es. Du würdest es bekommen.«
»Einen Kaffee in deinem Haus in Lausanne inbegriffen?«
»Selbstverständlich.«
»Das Collier auch?«
Wieder Schweigen. Lange diesmal.
»Red keinen Unsinn.«
Die Glut fiel zu Boden und erlosch. Sie hatte wieder nach seiner Hand gefasst. Die Musik auf der Piazza war verstummt.
»Verflucht noch mal«, sagte er. »Du gibst mir das Gefühl, ein alberner Junge zu sein. Du machst mich um Jahre jünger.«
»Das ist mein Bestreben.«
Er zauderte ein wenig. Nur noch ein klein wenig. Sein Mund schmerzte bei dem Versuch zurückzuhalten, was er ihr im nächsten Moment beichten würde.
»Ich besitze keinen roten Heller, Mecha.«
Sie ließ ein paar Sekunden verstreichen.
»Ich weiß.«
Max verschlug es den Atem.
»Wie, du weißt?«, stieß er schließlich hervor. »Was weißt du?«
Am liebsten hätte er seine Hand befreit und wäre aufgesprungen. Davongerannt. Aber sie hielt ihn sanft zurück.
»Dass du nicht in Amalfi lebst, sondern hier in Sorrent. Dass du als Chauffeur in einem Haus namens Villa Oriana arbeitest. Dass du in den letzten Jahren nicht viel Glück gehabt hast.«
Gut, dass ich sitze, dachte Max und stützte sich mit der freien Hand an der Bank ab. Andernfalls läge ich jetzt flach auf dem Boden.
»Ich habe mich umgehört, gleich nachdem du im Hotel aufgetaucht bist«, erklärte Mecha.
Er versuchte hektisch, seine Gedanken und Empfindungen zu ordnen; er fühlte sich gedemütigt und beschämt. Entwürdigt. Mit dem ganzen Schauspiel der vergangenen Tage hatte er sich nur lächerlich gemacht. War herumstolziert wie ein Clown.
»Hast du es die ganze Zeit gewusst?«
»Fast.«
»Und warum hast du dann mitgespielt?«
»Aus mehreren Gründen. Vor allem aus Neugierde. Ich fand es faszinierend, den alten Max wiederzuerkennen: mondän, schlitzohrig und amoralisch.«
Sie schwieg einen Moment. Sie hielt weiter seine Hand.
»Außerdem bin ich gern mit dir zusammen«, fügte sie schließlich hinzu. »Das war schon immer so.«
Max zog die Hand weg und stand auf.
»Wissen die anderen Bescheid?«
»Nein. Nur ich.«
Er brauchte Luft. Er musste tief durchatmen und seiner widersprüchlichen Gefühle Herr werden. Oder vielleicht brauchte er etwas zu trinken. Etwas Starkes, das ihm die Eingeweide aufschüttelte und auf links zog.
Mecha blieb vollkommen ruhig sitzen.
»Wäre Jorge nicht gewesen, unter anderen Umständen ... Nun ja. Es hätte mir Spaß gemacht. Mit dir zu leben. Zu sehen, wonach du suchst. Wie weit du gehen würdest.« Und nach einer kleinen Pause: »Was hattest du vor?«
»Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Vielleicht alte Zeiten aufleben lassen.«
»In welcher Beziehung?«
»In jeder, vielleicht.«
Langsam erhob sie sich. Fast ein wenig schwerfällig, glaubte Max zu erkennen.
»Die alten Zeiten sind vorbei. Passé, genau wie unser Tango. So tot wie deine Jungs von früher oder du selbst ... Wie wir beide.«
Sie umschlang seinen Arm wie vor neunundzwanzig Jahren nachts auf dem Weg zum Lions at the Kill in Nizza.
»Es ist schmeichelhaft«, setzte sie hinzu, »zu erleben, wie du mir zuliebe wieder auferstehst.«
Sie nahm seine Hand und zog sie sanft an ihre Lippen. Ein lieblicher Hauch. Ihre Stimme klang wie ein Lächeln.
»Wie viel dir daran liegt, dass ich dich wieder so ansehe, wie ich dich einmal angesehen habe.«
Die Sonne steht bereits hoch am Himmel. Das Fernglas vor den Augen, inspiziert Max abermals das Appartementhaus. Er ist einmal um das Gebäude herumgegangen und hat sich die Tür angesehen, zu der der Hauptgartenweg führt. Jetzt steht er hinter einigen Bougainvilleas und Zitronenbäumen und prüft die andere Gebäudeseite. In der Nähe gibt es einen kleinen Teich und einen Pavillon mit einer Bank
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