Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
heute vor dir steht. Wie ein geschlagenes Heer, das weiterkämpft und sich dabei immer mehr auflöst.«
Für einen Augenblick ist Max versucht, diese Worte mit dem Anflug eines heldenhaften Lächelns zu untermalen, verzichtet dann aber darauf. Es ist überflüssig. Immerhin entspricht das, was er gesagt hat, der Wahrheit. Und er weiß, dass sie es weiß.
»Nach dem Krieg hatte ich eine gute Phase«, sagt er. »Geschäfte, allgemeiner Wiederaufbau, ganz neue Möglichkeiten. Aber es war ein Trugbild. Denn plötzlich erschienen andere auf der Bildfläche. Ein ganz neuer Typ Ganove. Die waren nicht listiger, sondern plumper. Sogar Grobheit begann sich in manchen Kreisen auszuzahlen ... Mir fiel es schwer, mich dem anzupassen, und ich beging ein paar Fehler, indem ich Leuten vertraute, denen ich nicht hätte vertrauen dürfen.«
»Warst du im Gefängnis?«
»Ja, aber das war halb so wild. Es war meine Welt, die im Untergang begriffen war. Oder, besser gesagt, die bereits untergegangen war, als ich sie gerade zu erobern glaubte. Und ich hatte es nicht bemerkt.«
Er erzählt noch ein bisschen weiter über diese Jahre, sie sitzen nah beieinander, und sie hört ihm aufmerksam zu. Zehn oder fünfzehn Jahre, verdichtet in wenigen Worten: der knappe, sachliche Bericht eines Absturzes. Die kommunistischen Regierungen, sagt er, hätten das gesellschaftliche Leben in seiner altvertrauten Form in Mitteleuropa und auf dem Balkan zum Erliegen gebracht, also habe er sein Glück in Spanien und Südamerika versucht, ohne Erfolg. Eine andereGelegenheit habe sich ihm in Istanbul geboten, wo er Partner eines Besitzers von Bars, Cafés und Kabaretts gewesen sei, aber auch das habe kein gutes Ende gefunden. Danach sei er eine Weile in Rom als reifer Galan älterer Damen aufgetreten und habe als eine Art attraktiver Blickfang amerikanische Touristinnen und ausländische Filmsternchen begleitet: ins Strega und ins Doney auf der Via Veneto, ins Restaurant Da Fortunato am Pantheon, ins Rugantino in Trastevere oder zum Einkaufen auf die Via Condotti, gegen Provision.
»Das letzte Mal, das ich einigermaßen Glück hatte, war vor ein paar Jahren in Portofino«, berichtet er. »Jedenfalls sah es zunächst danach aus. Ich hatte dreieineinhalb Millionen Lire ergattert.«
»Von einer Frau?«
»Das tut nichts zur Sache. Zwei Tage später kam ich in Monte Carlo an und stieg in einem billigen Hotel ab. Einer plötzlichen Eingebung folgend, füllte ich mir am selben Abend im Kasino die Taschen mit Jetons. Anfangs gewann ich, und somit beschloss ich, aufs Ganze zu gehen. Dann verlor ich zwölfmal hintereinander und stand schlotternd vom Tisch auf.«
Mecha sieht ihn gespannt an. Ungläubig.
»Und so hast du alles verloren?«
Max flüchtet sich in sein altes weltmännisches Lächeln, mit dem er versonnen wirkt und mit sich selbst im Reinen.
»Mir blieben noch zwei Chips im Wert von fünfzehntausend Francs, also ging ich in einen anderen Salon und versuchte, den Verlust wieder wettzumachen. Die Kugel rollte schon, und ich hielt meine Chips noch in der Hand und konnte mich nicht entscheiden. Als ich mich endlich aufraffte, war alles weg ... Sechs Monate später war ich Chauffeur in Sorrent.«
Sein Lächeln ist allmählich erloschen. Jetzt ist der Ausdruck seiner Lippen kühl und unendlich trostlos.
»Dass ich müde bin, habe ich dir schon gesagt. Was ich dir nicht gesagt habe, ist, wie müde.«
»Du hast auch gesagt, dass du Angst hast.«
»Heute weniger. Glaube ich jedenfalls.«
»Weißt du, dass du genau so viele Jahre alt bist wie ein Schachbrett Felder hat?«
»Der Gedanke ist mir noch nicht gekommen.«
»So ist es aber. Wie findest du das? Könnte doch ein gutes Omen sein.«
»Oder ein böses. Wie bei meinem letzten Roulette-Abend.«
Mecha verharrt einen Moment in Schweigen. Dann senkt sie den Kopf und betrachtet ihre altersfleckigen Hände.
»Einmal, es mag fünfzehn Jahre her sein, habe ich einen Mann gesehen, der dir ähnlich sah. Sein Gang, wie er sich bewegte. Ich saß mit Freunden in der Bar des Alvear, und er kam aus dem Aufzug. Sie sahen mir alle mit offenem Mund nach, als ich meinen Mantel schnappte und hinter ihm herlief. Eine Viertelstunde glaubte ich tatsächlich, du wärst es. Ich verfolgte ihn bis zur Recoleta und beobachtete, wie er das Biela betrat, eine Kraftfahrerkneipe dort an der Ecke. Ich ging auch hinein. Er saß an einem Fenster, und als ich auf ihn zukam, hob er den Blick und sah mich an ... Da merkte ich, dass
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