Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Schwämme.
»Das ist meine Angelegenheit«, entgegnete er. »Ich muss nur wissen, wo wir uns hinterher treffen, damit ich Ihnen die Briefe übergeben kann. Sofern alles glattgeht.«
»Hier ist ein guter Ort. Wir werden hier die ganze Nacht auf Sie warten. Unten in der Bar gibt es ein Telefon. Einervon uns kann sich da aufhalten, bis sie schließen, falls es was Dringendes gibt. Werden Sie ohne Probleme in das Haus kommen?«
»Ich denke schon. In Cimiez, in der Nähe des alten Hotels Régina, findet eine Abendgesellschaft statt. Susana Ferriol wird unter den Gästen sein. So verfüge ich über einen vernünftigen zeitlichen Rahmen.«
»Haben Sie alles, was Sie brauchen?«
»Ja. Der Satz Schlüssel von Fossataro ist genau richtig.«
Tignanello wandte sich langsam Max zu.
»Ich würde Ihnen zu gern dabei zusehen«, sagte er unvermittelt. »Wie Sie den Tresor öffnen.«
Max zog überrascht die Augenbrauen hoch. Der sonst so verschlossene Italiener schien jetzt zu strahlen, er wirkte fast sympathisch.
»Ich auch«, pflichtete ihm sein Kollege bei. »Fossataro sagt, Sie hätten ein Händchen dafür. Sie seien die Ruhe und Gelassenheit in Person, das waren seine Worte. Im Umgang mit Tresoren und mit Frauen.«
Was war es bloß, woran ihn die beiden erinnerten, überlegte Max. Er assoziierte irgendein verschwommenes Bild, das er nicht schärfer zu stellen vermochte. Es hatte mit ihrem Aussehen zu tun und mit der Art, wie sie sich gaben. Doch es wollte ihm einfach nicht einfallen.
»Sie würden sich langweilen«, sagte er. »Alles in allem handelt es sich dabei um bloße Routine. Eigentlich ein Geduldsspiel.«
Barbaresco schmunzelte. Die Antwort schien ihm zu gefallen.
»Wir wünschen Ihnen viel Glück, Herr Costa.«
Max sah sie lange an. Und endlich entsann er sich des Bildes, das er gesucht hatte: nasse Hunde im Regen.
»Ja.« Er holte das Zigarettenetui wieder hervor und hielt es ihnen hin. »Das glaube ich Ihnen.«
Sie erscheint am frühen Nachmittag, als Max dabei ist, die Ausrüstung für sein nächtliches Vorhaben zusammenzupacken. Als es klopft, späht er durch das Guckloch, wirft sich eine Jacke über und macht auf. Mecha Inzunza steht lächelnd vor der Tür, die Hände in den Taschen ihrer Strickjacke. Als sei die Zeit stehengeblieben, oder als stürzten in seinem Kopf Vergangenheit und Gegenwart ineinander, ruft ihm dieser Anblick jenen fast vierzig Jahre zurückliegenden Morgen in Erinnerung, da sie ihm unter dem Vorwand, ihren weißen Handschuh abholen zu wollen, in der Pension Caboto einen Besuch abstattete. Auch wie sie jetzt hereinkommt, unbefangen und neugierig durchs Zimmer geht und sich in aller Ruhe umsieht, ähnelt sie sehr der Mecha von damals: wie sie den Kopf neigt, um Max’ aufgeräumte, karge Welt in Augenschein zu nehmen, oder innehält am offenen Fenster mit der Aussicht auf Sorrent. Ihr Lächeln erstirbt, als ihr Blick auf die Gegenstände fällt, die er mit der methodischen Sorgfalt eines Soldaten, der sich für die Schlacht rüstet – und über dieses Ritual zu einer zweifelhaften, intensiven Vorfreude auf den bevorstehenden Einsatz kommt –, auf dem Bett zurechtgelegt hat: einen kleinen, leichten Rucksack, eine Taschenlampe, ein Nylonseil mit Knoten, eine Werkzeugtasche, dunkle Bekleidung und ein Paar Sportschuhe, die er am selben Nachmittag mit Schuhcreme schwarz eingefärbt hatte.
»Großer Gott«, sagt sie, »du wirst es tatsächlich tun.«
»Klar«, antwortet er knapp.
In seinem Ton klingt nichts Aufgesetztes an, nichts Falsches. Heute will er sich mit keiner heroischen Bauchbinde schmücken. Seit er den Entschluss gefasst und die passende Vorgehensweise gefunden hat oder hofft, sie gefunden zu haben, ist er innerlich vollkommen ruhig. Ein Zustand sachlicher Schicksalsergebenheit. Mit den alten Gesten, den Handgriffen, die untrennbar mit seiner Jugend und alter Kraft verbunden schienen, haben seine Bewegungen in den letztenStunden in erstaunlichem Maße an Sicherheit gewonnen. Er ist erfüllt von einem uralten, tief empfundenen Frieden, das Risiko und die Gefahr sind jetzt unbedeutend. Es geht weder um Jorge Keller noch um Michail Sokolows Schachbuch, es geht nicht einmal um Mecha Inzunza. Worum es hier geht, ist der Fehdehandschuh, den Max Costa – oder der, der er einmal gewesen ist – diesem grauhaarigen alten Mann vor die Füße wirft, der ihn bisweilen so skeptisch aus dem Spiegel ansieht.
Sie betrachtet ihn aufmerksam. Mit anderen Augen. Oder mit einem Blick,
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