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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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Bedürfnis, sich den Wind ins Gesicht blasen zu lassen, um der Seekrankheit entgegenzuwirken. Die meisten Passagiere hielten sich überwiegend in ihren Kabinen auf, die sie im Kampf gegen ihre jeweiligen Magenverstimmungen manchmal tagelang nicht verließen. Einen Moment lang glaubte Max, Mecha Inzunza würde weitergehen und tun, als hätte sie ihn nicht gesehen. Aber nein. Sie blickte ihn an, reglos und schweigend.
    »Es hat Spaß gemacht«, sagte sie unvermittelt.
    Max schaffte es, seine Verwirrung in wenigen Sekunden zu überwinden.
    »Mir auch«, gab er zurück.
    Die Frau sah ihn immer noch an. Neugierig, wie ihm schien.
    »Tanzen Sie schon lange beruflich?«
    »Seit fünf Jahren. Allerdings nicht ständig. Es ist eine Arbeit, die ...«
    »Spaß macht?«, fiel sie ihm ins Wort.
    Sie schlenderten weiter das Deck entlang, passten ihre Schritte dem langsamen Wiegen des Schiffes an. Hin und wieder kam ihnen die dunkle Silhouette eines Passagiers entgegen, manchmal erkannten sie auch ein Gesicht, wogegen die Vorübergehenden in der schwachen Beleuchtung von Max nur weiße Flecken sahen: Hemdbrust, Weste und Binder, die exakt eineinhalb Daumen breiten Streifen der gestärkten Ärmelmanschetten und das Tüchlein in der Brusttasche des Fracks.
    »Das ist nicht der richtige Ausdruck.« Er lächelte. »Ganz und gar nicht. Ich tue das nur von Zeit zu Zeit, wollte ich sagen. Es ermöglicht mir einiges.«
    »Was denn zum Beispiel?«
    »Nun ja, das Reisen, wie Sie sehen.«
    Im Licht eines Bullauges bemerkte er, dass nun sie es war, die lächelte.
    »Dafür, dass es nur ein Gelegenheitsjob ist, sind Sie aber sehr gut.«
    Der Eintänzer zuckte mit den Schultern.
    »In den ersten Jahren war ich fest engagiert.«
    »Wo denn?«
    Max beschloss, einen Teil seiner Biografie zu unterschlagen. Einige Orte für sich zu behalten, wie das Barrio Chino von Barcelona und den Vieux Port von Marseille. Oder die ungarische Tänzerin namens Boske, die La petite tonkinoise sang, während sie sich die Beine depilierte, und eine Vorliebe für junge Männer hegte, die mitten in der Nacht aus dem Schlaf fuhren, weil sie sich in ihren Albträumen noch immer im Krieg in Marokko wähnten.
    »Im Winter in guten Pariser Hotels«, antwortete er mit einer Kurzfassung. »In der Hochsaison in Biarritz und an der Côte d’Azur. Eine Zeit lang war ich auch in Kabaretts am Montmartre.«
    »Ach ja?« Ihr Interesse schien echt. »Vielleicht sind wir uns ja schon einmal begegnet.«
    Er lächelte selbstsicher.
    »Nein. Daran würde ich mich erinnern.«
    »Was wollten Sie?«, fragte sie.
    Zuerst verstand er nicht, was sie meinte. Dann aber wurde ihm bewusst, dass er ihr nach ihrer zufälligen Begegnung auf dem Gang nachgelaufen war und sie aufgehalten hatte, ohne zu erklären warum.
    »Ihnen sagen, dass ich noch mit niemandem einen so vollkommenen Tango getanzt habe.«
    Drei oder vier Sekunden lang herrschte ein Schweigen, das sich angenehm anfühlte. Sie war in der Nähe des Schotts stehengeblieben, wo eine Lampe angebracht war, und schaute ihn durch den salzigen Dunst an.
    »Im Ernst? Oh, das ist sehr nett von Ihnen, Herr ... Max ist Ihr Name, oder?«
    »Ja.«
    »Nun, das ist sehr schmeichelhaft.«
    »Es ist keine Schmeichelei. Sie wissen, dass es das nicht ist.«
    Sie lachte laut auf. Ein gesundes Lachen. Wie zwei Abende zuvor, als er ihr Alter im Scherz auf fünfzehn geschätzt hatte.
    »Mein Mann ist Komponist. Musik und Tanz sind mein Alltag. Aber Sie sind ein exzellenter Tänzer. Sie führen gut.«
    »Ich brauchte Sie nicht zu führen. Das waren Sie selbst. Darin habe ich Erfahrung.«
    Sie nickte grüblerisch.
    »Ja, ich nehme an, die haben Sie.«
    Max stützte eine Hand auf die feuchte Reling. Durch die Schuhsohlen spürte er unter dem sacht schwankenden Deck das Vibrieren der Maschinen im Rumpf des Schiffes.
    »Rauchen Sie?«
    »Jetzt nicht, danke.«
    »Stört es Sie, wenn ich es tue?«
    »Ich bitte Sie.«
    Er holte das Etui aus der Innentasche, nahm eine Zigarette heraus und führte sie zum Mund. Sie sah ihm dabei zu.
    »Ägyptische?«, fragte sie.
    «Nein, Abdul Pashá ..., türkische. Mit einer Prise Opium und Honig.«
    »Dann möchte ich doch eine.«
    Die Streichholzschachtel gezückt, beugte er sich vor, schützte die Flamme mit der hohlen Hand und gab ihr Feuer, nachdem sie die Zigarette in ihr kleines Elfenbeinmundstück gesteckt hatte. Dann zündete er sich die eigene an. Die Brise verwehte den Rauch so schnell, dass man ihn kaum schmeckte. Unter

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