Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
ihrem Pelzumhang schien die Frau zu frösteln. Max wies auf die Tür zum Palmensalon, der nicht weit war, einem Wintergarten mit einer großen Lichtluke in der Decke, möbliert mit Sesseln aus Weidengeflecht, niedrigen Tischen und Kübelpflanzen.
»Tanzen als Beruf«, bemerkte sie beim Eintreten, »das ist ungewöhnlich für einen Mann.«
»Ich sehe da keinen großen Unterschied. Auch wir können es für Geld tun, wie Sie sehen. Tanzen ist nicht unbedingt immer Zuneigung oder Vergnügen.«
»Man sagt ja, eine Frau offenbare ihren Charakter beim Tanzen besonders ehrlich. Stimmt das?«
»Manchmal schon. Aber auch nicht mehr als ein Mann.«
Der Salon war leer. Die Frau setzte sich, wobei sie das Cape achtlos von den Schultern gleiten ließ, warf einen Blick in den kleinen Spiegel, den sie aus der Handtasche genommen hatte, und zog sich mit einem blassroten Stift der Marke Tangee die Lippen nach. Das mit Pomade glatt zurückgekämmte Haar verlieh ihren Zügen etwas Kantiges, Androgynes, und wie der schwarze Satin ihren Körper umspielte, erschien Max sehr reizvoll. Sie bemerkte seinen Blick, schlug die Beine übereinander und wippte leicht mit dem Fuß. Den rechten Ellbogen auf die Armlehne des Sessels gestützt, die Hand mit den langen, gepflegten und im Farbton des Lippenstiftes lackierten Nägeln aufgerichtet, hielt sie die Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger. Die Asche ließ sie einfach auf den Boden fallen, als gingen sie die Aschenbecher nichts an.
»Ich meinte, ungewöhnlich, so aus der Nähe betrachtet«, sagte sie nach einer Weile. »Sie sind der erste Berufstänzer, mit dem ich mehr als drei Worte wechsle: Danke und Auf Wiedersehen.«
Max hatte einen Aschenbecher geholt, blieb stehen, die Rechte in der Hosentasche, und rauchte.
»Ich tanze gern mit Ihnen«, sagte er.
»Und ich mit Ihnen. Ich würde es wieder tun, wenn das Orchester noch spielen würde und Leute im Saal wären.«
»Auch so spricht nichts dagegen.«
»Wie bitte?«
Sie studierte sein Lächeln, als wollte sie es auf Unschicklichkeiten prüfen. Doch der Eintänzer lächelte unbekümmert weiter. Du siehst aus wie ein anständiger Kerl: Darin waren sich die Ungarin und Graf Boris Dolgoruki-Bragation immer einig, obwohl sie einander nie kennengelernt hatten. Wenn du so lächelst, Max, bezweifelt niemand, dass du ein verflucht anständiger Kerl bist. Das solltest du nutzen.
»Sie könnten sich die Musik dazu einfach vorstellen.«
Wieder ließ sie die Asche auf den Boden fallen.
»Sie sind ziemlich mutig.«
»Könnten Sie?«
Jetzt lächelte auch sie, eine Spur herausfordernd.
»Natürlich könnte ich das«, sagte sie und stieß eine Rauchwolke aus. »Ich bin mit einem Komponisten verheiratet, vergessen Sie das nicht. Ich habe den Kopf voller Musik.«
»Würde Ihnen Mala junta gefallen? Kennen Sie den?«
»Perfekt.«
Max drückte seine Zigarette aus und zog die Weste straff. Sie saß noch einen Moment unbeweglich da. Ihr Lächeln war verschwunden, und sie musterte ihn nachdenklich von ihrem Sessel aus, als wollte sie sich vergewissern, dass er nicht scherzte. Schließlich legte sie die Zigarettenspitze mit den Lippenstiftspuren in den Aschenbecher, erhob sich langsam, und während ihre Augen seinen Blick festhielten, legte sie die Linke auf seine Schulter und die Rechte in seine abwartend ausgestreckte Hand. So stand sie, aufrecht, gelassen und sehr ernst, bis Max zweimal sachte ihre Finger drückte, um den ersten Takt vorzugeben, den Körper leicht zur Seite neigte, das rechte Bein vor das linke setzte, und beide, ohne die Blicke voneinander zu lösen, um die Korbsessel und Blumentöpfe herum durch den stillen Palmensalon tanzten.
Ein Twist von Rita Pavone röhrt aus dem Marconi-Kofferradio aus weißem Plastik. Im Garten der Villa Oriana wachsen Palmen und Schirmpinien, und Max steht am offenen Fenster seines Zimmers und betrachtet die Aussicht auf den Golf von Neapel: vor kobaltblauem Hintergrund den breiten Kegel des Vesuvs und die Uferlinie, die sich zur Rechten bis zur Punta Scutolo hinzieht, die steile Felswand, über der Sorrent kauert, die beiden Marinas mit ihren felsigen Wellenbrechern, die Boote am Strand und die in Ufernähe ankernden Schiffe. Doktor Hugentoblers Chauffeur steht schon eine ganze Weile dort und betrachtet versunken die Landschaft. Seit dem Frühstück in der stillen Küche hat er sich nicht von der Stelle gerührt und über die Erfolgsaussichten einer Idee nachgedacht, die ihn um den Schlaf gebracht
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