Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
entsprechen nicht seiner Größe, weil Max höher gewachsen ist – dazu wird er den teuren Läden auf dem Corso Italia wohl oder übel einen Besuch abstatten müssen –, aber er findet einen neuen Ledergürtel, den er zusammen mit mehreren Paar Socken in gedeckten Farben in den Koffer packt. Zum Schluss legt er noch zweiseidene Halstücher dazu, drei hübsche Krawatten, ein Paar goldene Manschettenknöpfe, ein Dupont-Feuerzeug – obwohl er das Rauchen schon vor Jahren aufgegeben hat – und eine Armbanduhr, eine Omega Seamaster Deville, ebenfalls aus Gold. Zurück in seinem Zimmer, den Koffer in der Hand, hört er wieder das Radio, aus dem jetzt Domenico Modugnos Vecchio frac erklingt. Der alte Frack. Was für ein Zufall, denkt er. Und dann schmunzelt der ehemalige Eintänzer und versteht es als gutes Omen.
2 TANGOS ZUM LEIDEN UND TANGOS ZUM TÖTEN
»Du bist übergeschnappt.«
Tiziano Spadaro, der Rezeptionist des Hotels Vittoria, beugt sich über die Empfangstheke, um einen Blick auf den Koffer zu werfen, den Max auf den Boden gestellt hat. Dann mustert er ihn von oben bis unten: Schuhe aus Saffianleder, graue Flanellhose, Seidenhemd mit Halstuch und dunkelblauer Blazer.
»Ganz und gar nicht«, gibt Max seelenruhig zurück. »Ich habe nur Lust auf ein paar Tage Tapetenwechsel.«
Spadaro streicht sich über die Glatze. Seine argwöhnischen Augen suchen in Max’ Miene nach geheimen Absichten. Gefährlichen Hintergedanken.
»Weißt du denn nicht mehr, was hier ein Zimmer kostet?«
»Aber sicher. Zweihunderttausend Lire pro Woche ... Na und?«
»Wir sind ausgebucht. Wie schon gesagt.«
Max’ Lächeln ist freundlich und zuversichtlich. Gutmütig fast. Es liegen auch alte Verbundenheit und umfassendes Vertrauen darin.
»Tiziano ... Ich verkehre seit vierzig Jahren in Hotels. Es ist immer etwas frei.«
Spadaros Blick senkt sich widerwillig auf die lackierte Mahagoniplatte. Zwischen seine aufgestützten Hände, wo Max einen verschlossenen Umschlag mit zehn Zehntausend-Lire-Scheinen platziert hat. Der Rezeptionist des Vittoriastarrt darauf wie ein Baccara-Spieler, der die Karten, die man ihm gegeben hat, nicht aufzudecken wagt. Schließlich schiebt sich Spadaros linke Hand langsam auf das Kuvert zu und streift es mit dem Daumen.
»Ruf mich in einer Weile an. Ich werde mal sehen, was ich tun kann.«
Max gefällt, dass er den Umschlag nur berührt hat, ohne ihn zu öffnen: der alte Kodex.
»Nein«, sagt er sanft. »Kläre es bitte gleich.«
Sie schweigen, als einige Gäste nah an ihnen vorbeikommen. Der Rezeptionist wirft einen vorsichtigen Blick ins Foyer: Es ist weder jemand auf der Treppe, die zu den Zimmern hinaufführt, noch an der Glastür zum Wintergarten, von wo Stimmengewirr zu vernehmen ist, und der Concierge ist an seinem Platz und damit beschäftigt, Schlüssel in die Fächer zu sortieren.
»Ich dachte, du wärst im Ruhestand«, sagt er leise.
»Bin ich ja auch. Habe ich dir doch schon gesagt. Ich will nur ein paar Tage Urlaub machen, wie in alten Zeiten. Ein Fläschchen kalten Champagner und eine schöne Aussicht.«
Wieder gleitet Spadaros misstrauischer Blick über den Koffer und die geschniegelte Aufmachung seines Gegenübers. Durchs Fenster kann er den Rolls-Royce sehen, der neben den Stufen zur Hotelhalle geparkt ist.
»Deine Geschäfte in Sorrent laufen wohl gut inzwischen ...«
»Ausgezeichnet, wie du siehst.«
»Auf einmal?«
»Ganz recht, auf einmal.«
»Und dein Chef aus der Villa Oriana?«
»Das erzähle ich dir ein andermal.«
Spadaro fährt sich wieder über die Glatze. Im Lauf seines langen Arbeitslebens ist er zu einem gerissenen Hund mit feiner Spürnase geworden; und es ist nicht der erste Umschlag,den Max ihm über den Tresen schiebt. Das letzte Mal liegt zehn Jahre zurück, als er noch im Hotel Vesubio in Neapel angestellt war. Aus dem Zimmer einer alternden Filmschauspielerin namens Silvia Massari, Stammgast des Hotels, war eine wertvolle Nardi-Brosche verschwunden, während sie mit Max – der mit Spadaros Hilfe das Nachbarzimmer belegt hatte – auf der Hotelterrasse frühstückte. Sie hatten die ganze Nacht und den halben Tag mit dem Austausch herbstlicher, aber nicht minder zupackender Intimitäten verbracht, und während des bedauerlichen Vorfalls hatte Max die Terrasse, das herrliche Panorama und den schmachtenden Blick seiner Gefährtin nur einmal für wenige Minuten verlassen, um sich die Hände zu waschen. Tatsächlich wäre der Massari niemals auch nur der
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