Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Rückfahrt nach Europa wieder an Bord sein, oder bleiben Sie in Argentinien?«
»Vielleicht bleibe ich eine Weile. Ich könnte für drei Monate im Plaza in Buenos Aires arbeiten.«
»Als Eintänzer?«
»Vorerst schon.«
Kurze Pause.
»Das scheint kein Beruf mit Zukunft zu sein. Es sei denn ...«
Wieder schwieg sie, wenngleich Max im Stillen den Satz vervollständigen konnte: Es sei denn, eine nach Roger & Gallet duftende Millionärin geht deinem schmucken Aussehen, deinem unschuldigen Lächeln und deinen Tangos auf den Leim und macht dich zu ihrem chevalier servant . Oder, wie es nicht ganz so fein auf Italienisch heißt, ihrem Gigolo.
»Ich habe nicht vor, das mein Leben lang zu tun.«
Die dunklen Gläser waren ihm jetzt zugewandt. Unbewegt. Er sah sein Spiegelbild darin.
»Neulich haben Sie etwas Interessantes gesagt. Sie sprachen von Tangos zum Leiden und Tangos zum Töten.«
Max machte eine abwiegelnde Geste. Auch in diesem Fall riet ihm seine Intuition, ehrlich zu sein.
»Das stammt nicht von mir, sondern von einem Freund.«
»Auch ein Tänzer?«
»Nein ..., er war Soldat.«
»War?«
»Er ist tot.«
»Das tut mir leid.«
»Es braucht Ihnen nicht leid zu tun.« Er lächelte versonnen. »Er hieß Dolgoruki-Bragation.«
»Das klingt nicht nach einem einfachen Soldaten. Eher nach einem Offizier, oder? Nach einem russischen Aristokraten.«
»Genau das war er: Russe und Aristokrat. Zumindest behauptete er das.«
»Und war er es wirklich? Aristokrat?«
»Schon möglich.«
Zum ersten Mal schien Mecha Inzunza verwirrt. Sie war an der äußeren Reling bei einem der Rettungsboote stehengeblieben. Auf dem Bug stand in schwarzer Schrift der Name des Dampfers. Sie nahm den Hut ab – Talbot las Max auf dem Etikett am Innenrand –, schüttelte ihr Haar und überließ es dem Wind.
»Waren Sie Soldat?«
»Für einige Zeit. Nicht sehr lange.«
»In Europa?«
»In Afrika.«
Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite, interessiert, als sähe sie Max zum ersten Mal. Über Jahre hatten die Schlagzeilen der spanischen Presse auf dramatische Weise von Nordafrika gehandelt, und in den Illustrierten waren Fotos junger Offiziere abgedruckt worden – Hauptmann Sowieso von den Regulares, Leutnant Sowieso von der spanischen Afrikalegion, Oberleutnant Sowieso von der Kavallerie –, die in Sidi Harazem, in Ketama, in Abd el-Krim, in Igueriben den Heldentod gefunden hatten. Auf den Gesellschaftsseiten von La Esfera oder Blanco y Negro starben alle den Heldentod.
»Reden Sie von Marokko? Melilla, Annual und all diesen schrecklichen Orten?«
»Ja, von all diesen schrecklichen Orten.«
Er hatte sich rücklings gegen die Reling gelehnt, kniff die Augen zusammen, weil ihn das gleißende Licht blendete, und genoss die frische Brise. Während er mit einer Hand in die Innentasche seines Sakkos griff und das Zigarettenetui mit den fremden Initialen herausholte, bemerkte Max, dass Mecha Inzunza ihn energisch betrachtete. Auch als er ihr die offene Schachtel hinhielt und sie den Kopf schüttelte, sah sie ihn weiter an. Max nahm sich eine Abdul Pashá, klappte das Etui zu und klopfte die Zigarette einige Male auf den Deckel, bevor er sie zwischen die Lippen klemmte.
»Wo haben Sie gelernt, sich so zu benehmen?«
Er hatte eine Schachtel Streichhölzer mit dem Emblem der Hamburg-Südamerikanischen gezückt und suchte den Windschatten des Bootes, um die Zigarette anzuzünden. Auch diesmal war seine Reaktion aufrichtig.
»Wie meinen Sie das?«
Sie hatte die Sonnenbrille abgenommen. Ihre Augen wirkten viel heller in diesem Licht, fast transparent.
»Nehmen Sie es mir nicht übel, Max, aber Sie haben etwas Irritierendes an sich. Ihre Manieren sind tadellos, und natürlich spielt Ihr Aussehen eine Rolle. Sie tanzen wundervoll und bewegen sich in ihren feinen Sachen wie kaum ein anderer, den ich kenne. Dennoch scheinen Sie kein ...«
Er lächelte, um seine Verlegenheit zu überspielen, während er ein Zündholz anriss. Obwohl er die Flamme in der hohlen Hand schützte, blies der Wind sie aus, ehe er sie der Zigarette nähern konnte.
»... kein kultivierter Mann zu sein?«
»Das wollte ich nicht sagen. Sie haben weder den plumpen Geltungsdrang eines Emporkömmlings noch das großspurige Gehabe eines Hochstaplers. Sie besitzen nicht einmal die ganz normale Dreistigkeit eines jungen, gutaussehenden Mannes. Sie scheinen aller Welt zu gefallen, ohne es darauf anzulegen. Und nicht nur den Frauen ... Verstehen Sie, was ich
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