Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
netten Jungen ohne Absichten oder Hintergedanken. Oder, wie sie vor einer Weile gesagt hatte, das eines Meistertänzers.
Kurz darauf wandte sie den Blick ab und schüttelte den Kopf.
»Täuschen Sie sich nicht, Max. Er ist ein hervorragender Komponist, der seinen Erfolg verdient. Er tut, als würde er noch suchen, wenn er längst fündig geworden ist, oder spricht abwertend über Stellen, an denen er zuvor sorgfältig gefeilt hat. Er kann sehr vulgär sein, aber selbst darin ist er vornehm. Wie diese bewusste Nachlässigkeit, mit der sich kultivierte Menschen manchmal kleiden ... Kennen Sie die Ouvertüre zu Pasodoble para Don Quijote ?«
»Nein. Tut mir leid. Was Musik betrifft, gehen meine Kenntnisse über den Salontanz kaum hinaus.«
»Schade. Sie würden sonst besser verstehen, was ich meine. Die Ouvertüre zu Pasodoble ist ein Vorspiel, auf das nichts folgt. Ein genialer Jux.«
»Das ist mir zu hoch«, sagte er schlicht.
»Wahrscheinlich.« Wieder sah die Frau ihn prüfend an. »Ja.«
Max stand auf das weiß gestrichene Geländer gestützt. Seine linke Hand lag zwanzig Zentimeter von ihrer rechten entfernt, mit der sie das Buch hielt. Er blickte hinunter auf die Passagiere der ersten Klasse. Er war so diszipliniert, lediglich einen leichten, unbestimmten Groll zu empfinden. Nichts, das nicht zu ertragen gewesen wäre.
»Und das mit dem Tango ihres Mannes, wird das auch ein Jux?«
In gewisser Weise schon, erwiderte sie. Aber nicht nur. Der Tango sei Gemeingut geworden. Inzwischen bringe er die Menschen in den exklusiven Salons ebenso aus dem Häuschen wie im Theater, im Kino und auf Volksfesten. Und diese Begeisterung wolle Armando de Troeye aufs Korn nehmen. Dem Publikum die Volksmusik zurückgeben, gefiltert durch die Ironie, von der sie gerade gesprochen hätten.
»Verschleiert natürlich, wie üblich«, erklärte sie. »Mit seinem ungeheuren Talent. Ein Plagiat aus lauter Plagiaten.«
»So etwas wie ein Ritterroman, der alle anderen Ritterromane hinfällig macht?«
Sie wirkte überrascht.
»Haben Sie den Quijote gelesen, Max?«
Rasch wägte er die Möglichkeiten ab. Lieber nichts riskieren, dachte er. Keine unnützen Eitelkeiten. Eher kommt man einem schlauen Lügner auf die Schliche als einem ehrlichen Tölpel.
»Nein.« Wieder setzte er sein unwiderstehliches, offenes Lächeln auf. »Aber ich habe in Zeitungen und Zeitschriften einiges darüber mitbekommen.«
»Hinfällig ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, aber ein Tango, der alle anderen in den Schatten stellt. Unübertrefflich, weil alles darin enthalten ist. Der perfekte Tango.«
Sie ließen das Geländer los. Über dem Meer, das immer blauer und von Minute zu Minute weniger grau aussah, brachte die Sonne die letzten Nebelreste zum Verschwinden. Der Lack der Rettungsboote, die festgezurrt in den Halterungen lagen, schimmerte so blendend weiß, dass Max den Schirm seiner Kappe tiefer über die Augen ziehen musste. Mecha Inzunza nahm eine Sonnenbrille aus der Tasche ihres Pullovers und setzte sie auf.
»Was Sie über den ursprünglichen Tango erzählt haben, hat ihn fasziniert«, sagte sie im Weitergehen. »Er denkt an nichts anderes. Er wird Sie beim Wort nehmen und verlangen, dass Sie ihn dorthin bringen.«
»Und Sie?«
Ohne stehenzubleiben, warf sie ihm einen Seitenblick zu, dann noch einen, als ob sie sich erst über die Tragweite dieser Frage klar werden müsste. Mineralwasser Inzunza, erinnerte sich Max. Er hatte im Salon in den Illustrierten nach Anzeigen geblättert und den Chefsteward gefragt. Ende desletzten Jahrhunderts hatte ihr Großvater, ein Pharmazeut, ein Vermögen gemacht, indem er das Quellwasser der Sierra Nevada in Flaschen abfüllte. Später baute ihr Vater dort zwei Hotels und ein modernes Heilbad für Nieren- und Leberleiden, das sich während der Sommersaison bei der andalusischen Oberschicht großer Beliebtheit erfreute.
»Werden Sie mich auch beim Wort nehmen, Frau Inzunza?«, beharrte Max.
Allmählich hielt Max den Zeitpunkt für gekommen, zu dem sie ihm anbieten könnte, sie Mecha oder Mercedes zu nennen. Aber sie tat es nicht.
»Ich bin seit fünf Jahren mit ihm verheiratet. Und ich bewundere ihn zutiefst.«
»Deshalb wollen Sie, dass ich Sie dorthin begleite? Alle beide?« Er gestattete sich einen skeptischen Unterton. »Sie komponieren doch gar nicht.«
Sie antwortete nicht sofort. Langsam ging sie weiter, die Augen hinter der dunklen Brille verborgen.
»Und Sie, Max? Werden Sie auf der
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