Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
habe.«
Er beugt sich etwas zu ihr, in diskreter Vertraulichkeit.
»Und wann hast du mich wiedererkannt?«
»Gestern. Obwohl ich mir da noch nicht ganz sicher war. Oder es für völlig ausgeschlossen hielt. Nur eine entfernte Ähnlichkeit, dachte ich ... Aber heute Morgen habe ich dich von der Tür aus gesehen. Und dich eine Weile beobachtet.«
Max sieht sie sich genau an. Mund und Augen sind dieselben. Die Zähne sind etwas weniger strahlend, als er sie in Erinnerung hat, was wohl auf die Zigaretten zurückzuführen sein dürfte. Sie hat ein neues Päckchen Muratti aus der Tasche ihrer Strickjacke genommen und hält es in der Hand, ohne es aufzureißen.
»Du jedenfalls hast dich nicht verändert«, sagt Max.
»Unsinn.«
»Ich meine es ernst.«
Jetzt ist sie es, die ihn aufmerksam mustert.
»Du hast ein bisschen zugenommen«, stellt sie fest.
»Mehr als ein bisschen, fürchte ich.«
»Ich hatte dich dünner und größer in Erinnerung ... Und nie hätte ich mir dich mit grauen Haaren vorstellen können.«
»Deine stehen dir allerdings sehr gut.«
Mecha Inzunza lacht laut auf, schallend, kraftvoll, und dadurch wirkt sie wieder jung. Wie damals und wie immer.
»Schmeichler ... Du wusstest schon immer, wie man mit Frauen umgeht.«
»Ich weiß nicht, von welchen Frauen du sprichst. Ich erinnere mich nur an eine.«
Ein Augenblick des Schweigens. Sie lächelt, wendet den Blick ab, sieht hinunter auf die Bucht. Der Kellner bringt den Kaffee im rechten Moment. Max serviert ihr eine halbe Tasse, schaut auf die Zuckerdose, dann zu ihr, und sie schüttelt den Kopf.
»Milch?«
»Ja, bitte.«
»Früher hast du nie welche genommen. Weder Zucker noch Milch.«
Es scheint sie zu überraschen, dass er das noch weiß.
»Stimmt«, sagt sie.
Wieder Schweigen. Länger als zuvor. Über den Rand der Tasse hinweg, von der sie in kleinen Schlucken trinkt, mustert sie ihn weiter.
»Was machst du in Sorrent, Max?«
»Oh ..., nun ja, ich bin geschäftlich hier. Geschäfte und ein paar Tage Erholung.«
»Wo lebst du?«
Mit einer vagen Geste weist er auf einen unbestimmten Ort jenseits des Hotels und der Stadt.
»Ich habe ein Haus in der Nähe von Amalfi. Und du?«
»In der Schweiz. Mit meinem Sohn. Du weißt vermutlich, wer er ist, wenn du hier im Hotel wohnst.«
»Ja, ich wohne hier im Hotel. Und natürlich weiß ich, wer Jorge Keller ist. Nur hat mich der Familienname verwirrt.«
Sie stellt die Tasse ab, öffnet die Schachtel und nimmt eine Zigarette heraus. Max greift nach den Streichhölzern des Hotels, die im Aschenbecher liegen, beugt sich vor und gibt ihr Feuer, indem er die Flamme mit der hohlen Hand schützt. Auch sie beugt sich vor, und ihre Finger berühren sich leicht.
»Interessierst du dich für Schach?«
Sie hat sich wieder zurückgelehnt und bläst den Rauch aus, der sich in der vom Golf herüberwehenden Brise rasch verflüchtigt. Erneut sieht sie Max fragend an.
»Ganz und gar nicht«, erwidert er ungerührt. »Obwohl ich gestern eine Weile zugeschaut habe.«
»Hast du mich nicht gesehen?«
»Ich habe wohl nicht aufgepasst. Lange war ich auch nicht da.«
»Du wusstest also gar nicht, dass ich in Sorrent bin?«
Max verneint unbefangen, mit überzeugendem Nachdruck, ganz der alte Profi. Bis vor kurzem habe er gar nicht gewusst, sagt er, dass sie einen Sohn mit dem Nachnamen Keller hat. Nicht einmal, dass sie überhaupt ein Kind hat. Nach Buenos Aires und nach dem, was in Nizza geschehen sei, habe er ihre Spur ganz verloren. Dann sei der Krieg ausgebrochen, der andere, der große, und halb Europa habe den Kontakt zur anderen Hälfte verloren. In vielen Fällen für immer.
»Allerdings habe ich das von deinem Mann gehört. Dass er in Spanien umgekommen ist.«
Mecha Inzunza hält die Zigarette zur Seite, ignoriert den Aschenbecher und lässt die Asche auf den Boden fallen. Mit einem beiläufigen Fingertippen. Dann führt sie die Zigarette wieder an die Lippen.
»Er ist aus der Gefangenschaft nicht mehr herausgekommen, außer zum Sterben.« Ihr Ton ist sachlich, ohne Groll oder Trauer, einem lange zurückliegenden Ereignis angemessen. »Ein trauriges Ende, nicht wahr? Für einen Mann wie ihn.«
»Das tut mir leid.«
Wieder ein Zug von der Zigarette. Wieder Rauch, der in der Brise verweht. Wieder Asche auf dem Boden.
»Ja. Das sagt man wohl in solchen Fällen. Mir hat es auch leid getan.«
»Und dein zweiter Mann?«
»Scheidung in beidseitigem Einvernehmen.« Sie gestattet sich ein weiteres
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