Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
mit aller Selbstverständlichkeit aufs Bett, ohne den Stuhl zu beachten. Den Handschuh, ihren Hut und die Tasche legte sie neben sich. Im Sitzen entblößte der Rock ihre Knie, hautfarbene Strümpfe über ihren langen, schlanken Beinen.
»Irgendwo«, begann Mecha Inzunza, »habe ich einmal etwas über verlorene Damenhandschuhe gelesen.«
Versonnen schaute sie vor sich hin, als hätte sie darüber noch nie nachgedacht.
»Ein Paar Handschuhe ist etwas anderes als ein einzelner«, fuhr sie fort. »Zwei kann man versehentlich irgendwo vergessen. Einen dagegen ...«
Sie ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen und sah Max an.
»... lässt man absichtlich zurück?«, ergänzte er.
»Ein Dummkopf sind Sie nicht, das gefällt mir an Ihnen.«
Der Eintänzer hielt dem Blick ihrer Augen stand, ohne zu blinzeln.
»Und mir gefällt Ihre Art, mich anzusehen«, sagte er sanft.
Sie runzelte die Stirn, als bemühte sie sich, diese Bemerkung zu deuten. Dann kreuzte sie die Beine und stützte die Hände rechts und links auf die Decke. Sie wirkte verstimmt.
»Tatsächlich? Na so was. Sie enttäuschen mich.« Ihr Ton war leicht unterkühlt. »Das klingt hochtrabend, finde ich. Unpassend.«
Diesmal antwortete er nicht. Unbeweglich stand er vor der Frau und wartete ab. Kurz darauf zuckte sie gleichmütig mit den Schultern, als kapitulierte sie vor einer absurden Rätselfrage.
»Wie sehe ich Sie denn an?«
Max setzte sein treuherzigstes Lächeln auf. Seine schönste, vor den Spiegeln billiger Hotels und verwahrloster Absteigen Hunderte von Malen geprobte Unschuldsmiene.
»Man bekommt Mitleid mit den Männern, die nie von einer Frau so angesehen wurden.«
Er konnte seinen inneren Aufruhr kaum verhehlen, als er sie aufstehen sah und glaubte, sie wollte gehen. In verzweifelter Hast überlegte er, was er falsch gemacht haben, welche Geste, welches Wort fehl am Platz gewesen sein könnte. Doch statt ihre Sachen zu nehmen und das Zimmer zu verlassen, ging Mecha Inzunza drei Schritte auf ihn zu. Max hatte ganz vergessen, dass er noch Rasierseife im Gesicht hatte, und so erschrak er zuerst, als die Frau die Hand ausstreckte. Mit dem Zeigefinger strich sie über seine Wange, streifte einen Klecks weißen Schaum ab und tupfte ihn ihm auf die Nasenspitze.
»Jetzt sehen Sie aus wie ein hübscher Clown.«
Ohne ein weiteres Wort fielen sie übereinander her, fast grob, warfen alles von sich, was ihre Haut, ihr Fleisch hinderte, sich den Körper des anderen zu eigen zu machen, sie rissen die Tagesdecke vom Bett, und der Geruch des Mannes, der den faltigen Laken noch anhaftete, mischte sich mit dem der Frau. Es folgte ein ungestümer, sinnlicher Kampf, eine lange Explosion drängenden, entfesselten Verlangens, beharrlich und mitleidlos, die Max große Beherrschung abverlangte, weil er sich an drei Fronten zugleich zu behaupten hatte: Er musste sich selbst im Zaum halten, auf die Reaktionen der Frau achten und sein Stöhnen unterdrücken, wenn nicht die ganze Pension Caboto alles mithören sollte.Das Rechteck aus Sonnenlicht lag jetzt anders, es fiel auf das Bett, und ab und zu hielten sie geblendet inne, atemlos, mit erschöpften Zungen, Mündern, Händen und Lenden, berauscht vom Speichel und dem Geruch des anderen, glänzend vor Schweiß, der im gleißenden Licht aufschien wie Kristall. Und jedes Mal, wenn sie einander ansahen, Stirn an Stirn, mit forderndem oder ungläubigem Blick, staunten sie über die unbändige Lust, die sie gefangen hielt, keuchend wie Ringer in einer Pause zwischen den Runden, mit hämmernden Schläfen, ehe sie sich wieder aufeinander stürzten, gierig, fast verzweifelt, als gälte es, eine schwierige persönliche Angelegenheit nach langem Aufschub endlich zum Abschluss zu bringen.
In geistig klareren Momenten, wenn er sich an bestimmte Einzelheiten oder Gedanken klammern musste, um die Kontrolle über sich behalten zu können, fielen Max zwei ungewöhnliche Dinge auf: Mecha Inzunza raunte zuweilen Obszönitäten, die man aus dem Mund einer Dame nicht erwartete; und ihr weiches, warmes, an den richtigen Stellen wunderbar zartes Fleisch wies blaue Flecken auf, die von Schlägen herzurühren schienen.
Die Lampions aus Karton und Papier leuchten, seit die Sonne vor einer Weile hinter der Steilküste verschwunden ist, die die Marina Grande von Sorrent einfasst. In diesem künstlichen Licht, weniger entblößend als jenes, das gerade mit einem letzten Purpurschimmer am Himmel über der Wasserlinie verglüht ist,
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