Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Betreuerteams.«
»Gefällt sie dir als Schwiegertochter?«
»Es gibt Schlimmeres«, antwortet sie kühl, ohne sich von Max’ verschmitztem Lächeln zu Scherzen animieren zu lassen. »Sie ist schwierig, wie alle Schachspieler. Sie macht sich Gedanken, die du und ich uns niemals machen könnten ... Aber Jorge und sie verstehen sich gut.«
»Taugt sie zur Assistentin, Sekundantin oder wie man das nennt?«
»Oh ja. Und wie.«
»Und wie kommt der Meister Karapetian damit zurecht?«
»Gut. Anfangs war er eifersüchtig und kläffte wie ein Hund, der seinen Knochen verteidigt. Ein Mädchen, knurrte er. Aber sie ist schlau. Sie hat es geschafft, ihn um den Finger zu wickeln.«
»Und dich?«
»Na ja, das ist etwas anderes.« Mecha Inzunza trinkt ihre Tasse aus. »Ich bin seine Mutter, verstehst du?«
»Klar.«
»Ich muss sowieso von weitem zusehen ... Aufmerksam, aber von weitem.«
Man hört die Stimmen der Amerikaner, die hinter Max entlanglaufen und auf die in die Oberstadt ansteigende Straße zustreben. Danach ist alles still. Die Frau starrt gedankenverloren auf das rot-weiße Karo der Tischdecke wie eine Schachspielerin auf das Brett.
»Es gibt Dinge, die ich meinem Sohn nicht geben kann«, sagt sie unvermittelt und hebt den Kopf. »Und dabei geht es nicht nur um Schach.«
»Wie lange noch?«
So lange er wolle, entgegnet sie, ohne zu zögern. So lange, wie Jorge sie in seiner Nähe brauche. Sollte dies eines Tages nicht mehr der Fall sein, so hoffe sie, es rechtzeitig zu merken, und werde sich diskret und ohne viel Aufheben zurückziehen. In Lausanne habe sie ein schönes Haus voller Bücher und Schallplatten. Eine Bibliothek und ein gewissermaßen vertagtes Leben, für das sie im Lauf der Jahre aber Vorkehrungen getroffen habe. Einen Ort, um friedlich zu scheiden, wenn die Zeit gekommen wäre.
»Davon bist du noch sehr weit entfernt. Ganz bestimmt.«
»Du warst immer ein Süßholzraspler, Max ... Ein bezaubernder Schelm und ein unverschämter Schwindler.«
Er neigt bescheiden den Kopf, als stürzte ihn das pikanteKompliment in unermessliche Verlegenheit. Was soll ich dazu sagen, scheint seine weltmännische Geste stumm zu erwidern. In unserem Alter.
»Ich habe vor längerer Zeit etwas gelesen«, begann sie wieder, »das mich an dich erinnert hat. Ich zitiere es aus dem Gedächtnis, aber ungefähr hieß es da: ›Männer, die von vielen Frauen liebkost wurden, durchschreiten das Schattental mit weniger Schmerzen und weniger Furcht‹. Wie findest du das?«
»Rhetorisch.«
Schweigen. Sie studiert die Gesichtszüge des Mannes, als kostete es sie Mühe, ihn darin wiederzuerkennen. Ihre Augen glänzen sanft im Licht der Papierlampions.
»Hast du wirklich nie geheiratet, Max?«
»Das hätte meine Voraussetzungen für das Durchschreiten des Schattentals vermutlich ungünstig beeinflusst.«
Sie lacht spontan und lebendig, wie ein junges Mädchen, Lambertucci, der Kellner und die Köchin wenden die Köpfe in ihre Richtung.
»Du verflixter Filou. Schlagfertigkeit war schon immer deine Stärke. Was du aufschnappst, machst du dir sofort zu eigen.«
Er zupft an seinen Manschetten, um sicherzugehen, dass der Streifen, der unter dem Jackenärmel hervorsieht, die richtige Breite hat. Er hasst diese modische Angewohnheit, die Manschette fast vollständig aus dem Jackenärmel zu ziehen, ebenso wie die taillierten Schnitte, die überbreiten Krawatten, Hemden mit langen Kragenspitzen und enge Hosen mit weiten Beinen.
»Hast du zwischendurch tatsächlich manchmal an mich gedacht?«
Bei dieser Frage schaut er in ihre goldenen Augen. Sie legt den Kopf ein wenig schräg, ohne den Blick abzuwenden.
»Ich muss gestehen, das habe ich. Ab und zu.«
Max greift auf ein unfehlbares Mittel zurück: Sein strahlendes, scheinbar von Herzen kommendes Lächeln, das in anderen Situationen, je nach Gemütsverfassung der Angestrahlten, durchaus verhängnisvolle Folgen haben konnte.
»Auch abgesehen vom Tango de la Guardia Vieja ?«
»Natürlich.«
Mit einem leichten Nicken und einem feinen Lächeln geht sie auf sein Spiel ein. Max fasst Mut wie ein Torero, der sein Glück herausfordert, indem er den Kampf in die Länge zieht, weil er das Publikum auf seiner Seite weiß. Sein Blut pulsiert rasch durch die alten Arterien, entschlossen und gleichmäßig wie in den fernen Glücksritterzeiten; mit diesem leicht überschwänglichen Optimismus, wie ihn auch zwei mit Kaffee heruntergespülte Aspirin nach einer schlaflosen Nacht
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