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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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Gegenteil. Ich wollte ihm das Spielen sogar verbieten. Aber als ich einsehen musste, dass das unmöglich war, weil er heimlich weiterspielte und mir abhanden zu kommen drohte, hatte ich keine Zweifel mehr.«
    Lambertucci, der Wirt, lässt sich kurz blicken, falls sie noch einen Wunsch hätten, und Max schüttelt den Kopf. Wir kennen uns nicht, hat er ihm eingeschärft, als er am Nachmittag telefonisch den Tisch reserviert hat. Ich komme gegen acht, wenn der Capitano fort ist und du das Schachbrett weggeräumt hast. Offiziell war ich nur ein paarmal in deinem Restaurant, also keine Vertraulichkeiten heute Abend. Ich will schön und unbehelligt zu Abend essen: Nudeln mit Venusmuscheln und fangfrischen Fisch vom Grill, dazu einen guten, gekühlten Weißwein, und dass dein Neffe bloß nicht auf die Idee kommt, mit der Gitarre aufzutauchen und sein schauriges ’O sole mio zum Besten zu geben. Den Rest erkläre ich dir ein andermal. Oder auch nicht.
    »Wenn er Stubenarrest hatte«, fährt Mecha Inzunza fort, »und ich nach ihm sah, lag er reglos auf dem Bett und starrte an die Decke. Da begriff ich, dass er die Figuren nicht einmal zu sehen brauchte. Er spielte im Geist ... Also habe ich ihn fortan mit allen verfügbaren Mitteln unterstützt.«
    »Wie war er, als er klein war? Ich habe gelesen, dass er sehr früh angefangen hat zu spielen.«
    »Er war ein nervöses Kind. Übernervös. Er weinte untröstlich, wenn er einen Fehler begangen und verloren hatte. Wir,zuerst ich, dann seine Lehrer, mussten ihn zwingen nachzudenken, bevor er einen Zug machte. Schon damals zeigte sich sein späterer Stil: elegant, brillant und wendig, stets bereit, zu attackieren und Figuren zu opfern.«
    »Noch einen Kaffee?«, schlägt Max vor.
    »Ja, danke.«
    »In Nizza hast du dich von Kaffee und Zigaretten ernährt.«
    Die Frau deutet ein Lächeln an.
    »Das sind die einzigen alten Laster, denen ich immer noch fröne. Wenn auch in Maßen.«
    Lambertucci serviert mit undurchdringlicher Miene und etwas übertriebener Korrektheit, wobei er die Frau aus dem Augenwinkel begutachtet. Was er sieht, scheint ihm zu gefallen, denn er zwinkert Max verstohlen zu, bevor er sich zu dem Kellner und der Köchin der benachbarten Trattoria gesellt, um ein Schwätzchen zu halten. Hin und wieder blickt er herüber, und Max errät Lambertuccis Gedanken: Was mag das alte Schlitzohr wohl heute Abend ausbaldowern. Aufgetakelt, als sei es das Normalste von der Welt, und in Damenbegleitung.
    »Man denkt ja immer, Schach bestehe aus den Geistesblitzen eines Genies«, sagt Mecha Inzunza, »aber das ist nicht wahr. Es erfordert wissenschaftliche Methodik, man muss alle möglichen Stellungen und Positionen erforschen und neue Ideen suchen. Ein guter Spieler kennt Hunderte von Partien Zug für Zug auswendig, eigene und die von anderen, die er mit neuen Varianten zu verbessern sucht; und er studiert seine Vorgänger, wie man eine Fremdsprache oder Algebra lernt. Dafür braucht er die Unterstützung seiner Sekundanten und Trainer. Jorge wird zeitweise von mehreren zugleich betreut. Einer, der uns immer begleitet, ist sein Lehrer Emil Karapetian.«
    »Hat der Russe auch einen Assistentenstab?«
    »Und was für einen. Sogar ein Vertreter der russischenBotschaft in Rom ist darunter, stell dir mal vor. In der Sowjetunion ist Schach eine Staatsangelegenheit.«
    »Ich habe gehört, sie hätten ein ganzes Gebäude im Hotelgarten angemietet. Und es seien auch Leute vom KGB dabei.«
    »Das würde mich nicht wundern. Das Gefolge von Sokolow besteht aus einem Dutzend Personen, obwohl der Premio Campanello ja noch nicht einmal die Weltmeisterschaft ist. In ein paar Monaten, in Dublin, wird Jorge vier oder fünf Sekundanten und Assistenten haben. Du kannst dir vorstellen, wie viele Leute die Russen dann mitbringen werden.«
    Max trinkt einen kleinen Schluck.
    »Wie viele seid ihr?«
    »Hier sind wir zu viert, mich eingerechnet. Außer Karapetian begleitet uns noch Irina.«
    »Das Mädchen ...? Ich hielt sie für die Freundin deines Sohnes.«
    »Ist sie ja auch. Aber darüber hinaus eine ausgezeichnete Schachspielerin. Sie ist vierundzwanzig Jahre alt.«
    Max merkt auf, denn das hört er zum ersten Mal.
    »Russin?«
    »Die Eltern sind Jugoslawen, aber geboren ist sie in Kanada. Sie war Teil der kanadischen Olympiamannschaft in Tel Aviv, gehört zu den zwölf oder fünfzehn besten Spielerinnen der Welt und ist Großmeisterin. Sie und Emil Karapetian bilden den harten Kern unseres

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