Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Hallen und Säle zu laufen und untentwegt ›Telefon für Herrn Martínez‹ zu brüllen, wild entschlossen, diesen Martínez ausfindig zu machen, bevor derjenige, der sich am anderen Ende der Leitung den Hörer ans Ohr drückt, die Geduld verliert.«
»Wer hätte das gedacht.« Sie klang amüsiert. »Das scheint ja eine ganz eigene Welt zu sein.«
»Sie würden sich wundern. Von außen sieht man nicht unbedingt, was sich hinter einer Doppelreihe goldener Knöpfe abspielt oder hinter der nicht mehr ganz sauberen Hemdbrust eines Kellners, der stumm Cocktails serviert.«
»Sie geben mir zu denken. Klingt ja mächtig nach Bolschewismus.«
Max brach in lautes Gelächter aus. Er hörte auch sie lachen.
»Es ist nicht wahr, dass Ihnen das zu denken gibt. Sollte es aber.«
Der Handschuh, den ihm Mecha Inzunza anstelle des Tuches in die Brusttasche des Jacketts gesteckt hatte, als er sich anschickte, mit dem Mädchen zu tanzen, leuchtete in der Dämmerung, als trüge er eine große weiße Blume im Knopfloch. Dieses Kleidungsstück, so kam es ihm vor, schuf eine fast intime Verbindung zwischen ihnen. Eine Art heimlicher Komplizenschaft.
»Abgesehen davon«, erzählte er im Plauderton weiter,»bin ich auch Experte in Sachen Trinkgeld. Sie und Ihr Gatte, die schon wegen ihrer gesellschaftlichen Stellung immer welches geben, kämen wohl nie auf den Gedanken, dass es Gäste zu einer, drei oder auch fünf Peseten gibt. Das sind in einem Hotel die wahren Kriterien, von denen diejenigen, die sich für blond oder brünett, groß oder klein, Industrielle, Handelsvertreter, Millionäre oder Straßenbauingenieure halten, keine Ahnung haben. Es gibt sogar Kunden zu zehn Céntimos, stellen Sie sich mal vor, in Zimmern, die hundert Peseten am Tag kosten. Das sind die realen Kategorien, die mit den anderen nichts zu tun haben. Mit den konventionellen.«
Es dauerte eine Weile, bis sie antwortete. Sie schien sich das alles ernsthaft durch den Kopf gehen zu lassen.
»Für einen Eintänzer«, sagte sie schließlich, »ist das Trinkgeld auch wichtig, nehme ich an.«
»Natürlich. Wenn eine Dame mit einem Walzer zufrieden ist, kommt es durchaus vor, dass sie mir diskret einen Schein zusteckt, der mir den Abend rettet oder auch für eine Woche reicht.«
Es gelang ihm nicht ganz, bei diesem Thema einen bitteren Unterton zu vermeiden, einen leichten Groll, den er jedoch, wie er dann fand, eigentlich auch gar nicht zu verheimlichen brauchte. Seiner aufmerksamen Zuhörerin war dies nicht entgangen.
»Wissen Sie, Max ... Ich habe, im Gegensatz zu den meisten Menschen, insbesondere Männern, keinerlei Vorurteile gegen Berufstänzer. Nicht einmal gegen Gigolos. In einem Kleid von Lelong oder Patou kann eine Frau auch heute noch nicht allein in ein Restaurant oder zum Tanzen gehen.«
»Nicht nötig, dass Sie mich rechtfertigen. Ich schäme mich nicht. Das habe ich schon vor langer Zeit verlernt, in feuchtkalten Absteigen mit fadenscheinigen Decken und nichts als einer halben Flasche Wein, um mich aufzuwärmen.«
Es entstand ein kurzes Schweigen. Max ahnte die folgende Frage eine Sekunde, bevor sie sie aussprach.
»Und keine Frau?«
»Doch. Manchmal auch eine Frau.«
»Geben Sie mir eine Zigarette.«
Er zog das Etui hervor. Es waren noch drei darin, stellte er tastend fest.
»Zünden Sie sie mir bitte an.«
Im Licht der Flamme stellte er fest, dass sie ihn unverwandt ansah. Er schüttelte das Streichholz aus, zog zweimal an der Zigarette und hielt sie ihr dann an die Lippen. Sie nahm sie, ohne nach ihrem Mundstück zu greifen.
»Was hat sie auf die Cap Polonio gebracht?«
»Das Trinkgeld ... Und ein Vertrag natürlich. Ich war davor schon auf anderen Schiffen. Auf den Überfahrten nach Buenos Aires und Montevideo ist immer viel los. Man ist lange unterwegs, und die Passagiere wollen unterhalten werden. Mein südländisches Aussehen ist dabei von Vorteil und natürlich die Tatsache, dass ich Tango tanzen kann und auch andere Modetänze beherrsche. Und Sprachen.«
»Welche Sprachen sprechen Sie noch?«
»Französisch. Und einigermaßen Deutsch.«
Sie ließ die Zigarette fallen.
»Sie wissen sich ausgesprochen gut zu benehmen, obwohl Sie als Hotelpage angefangen haben. Wo haben Sie Ihre Manieren gelernt?«
Max lachte auf. Er blickte auf die verlöschende Glut zu Füßen der Frau.
»Aus Illustrierten. Zeitschriftenartikeln über die große weite Welt, die Mode, das Gesellschaftsleben ... Und ich habe Leute mit korrekten
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