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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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nach. Jorges Alter. Achtundzwanzig. Fällt dir dazu nichts ein?«
    Unbehaglich rutscht er auf seinem Stuhl hin und her.
    »Also wirklich. Immerhin könnte es ...«
    »Irgendein anderer sein, wolltest du sagen?«
    Auf einmal wirkt sie gereizt. Verstimmt. Heftig drückt sie die Zigarette in den Aschenbecher, zerquetscht sie förmlich.
    »Keine Bange. Er ist nicht dein Sohn.«
    Trotzdem geht Max der Gedanke nicht aus dem Sinn. Unangenehm berührt, stellt er absurde Berechnungen an.
    »Unser letztes Mal in Nizza ...«
    »Ach, scher dich zum Teufel. Verdammt ... Zum Teufel mit dir und Nizza.«
    Der Morgen war frisch und strahlend. Vor dem Zimmerfenster im Hotel de Paris in Monte Carlo fegte der Mistral seit zwei Tagen über den wolkenlosen Himmel, zauste die Bäume und entriss ihnen die ersten Blätter. Mit äußerster Sorgfalt, auf jedes Detail bedacht, kleidete Max sich an – nach Rasierwasser duftend, das Haar mit Festiger geglättet –, knöpfte die Weste zu und schlüpfte in das Sakko aus kastanienbraunem Cheviot, das er vor fünf Monaten in London bei Anderson & Sheppard für sieben Guineas hatte maßschneidern lassen. Er steckte ein weißes Tüchlein in die Brusttasche, rückte die grau und rot gestreifte Krawatte noch einmal zurecht, prüfte den Glanz der braunen Lederschuheund verteilte die auf der Kommode bereitgelegten Dinge auf die Taschen: einen Parker-Duofold-Füllfederhalter, ein Zigarettenetui aus Schildpatt, in dieses waren jetzt seine eigenen Initialen graviert, mit zwanzig türkischen Zigaretten und eine lederne Geldbörse, die tausend Francs, die Carte de saison für den Privatklub des Kasinos und den Mitgliedsausweis des Sporting Club enthielt. Das vergoldete Benzinfeuerzeug der Marke Dunhill lag auf dem kleinen Esstisch am Fenster, auf einer Zeitung mit der Schlagzeile Francos Truppen versuchen, Belchite zurückzuerobern und den letzten Neuigkeiten vom spanischen Krieg. Er steckte das Feuerzeug ein, griff nach dem Filzhut und dem Malakkarohrstock und trat auf den Flur hinaus.
    Die beiden Männer sah er erst, als er bereits die letzten Stufen der prachtvollen Treppe zum glasüberwölbten Foyer erreicht hatte. Sie saßen, die Hüte auf den Köpfen, auf einem der Sofas rechts vom Eingang zur Bar, und zuerst hielt er sie für Polizisten. Mit seinen fünfunddreißig Jahren – vor sieben Jahren hatte er die Arbeit als Eintänzer in Luxushotels und auf Ozeanschiffen aufgegeben – verfügte Max über ein gutes Gespür für heikle Momente. Ein rascher Blick auf die beiden Gestalten genügte, um zu erkennen, dass dies ein heikler Moment war: Bei seinem Erscheinen hatten die beiden ein paar Worte gewechselt und sahen ihm jetzt mit offenkundigem Interesse entgegen. Um eine unschöne Szene in der Hotelhalle zu vermeiden, womöglich eine Verhaftung, obgleich er in Monaco nicht vorbestraft war, schritt er mit neutraler Miene auf die Männer zu, indem er tat, als wollte er zur Bar. Als er auf gleicher Höhe mit ihnen war, standen sie auf.
    »Herr Costa?«
    »Ja.«
    »Mein Name ist Mauro Barbaresco, und mein Freund hier heißt Domenico Tignanello. Können wir uns kurz unterhalten?«
    Der Sprecher – sein Spanisch war korrekt, wenn auch mit ausgeprägtem italienischem Akzent – hatte breite Schultern, eine Adlernase und wache Augen und trug einen etwas zu engen grauen Anzug mit ausgebeulten Knien. Der andere war klein und dick und von südländischem, melancholischem Aussehen, mit einem großen Leberfleck auf der linken Wange, bekleidet mit einem dunkel gestreiften Dreiteiler, zerknittert und mit glänzenden Stellen an den Ellbogen , einer zu breiten Krawatte und schmutzigen Schuhen. Beide mussten etwa Ende dreißig sein.
    »Ich habe nur eine halbe Stunde Zeit. Dann habe ich einen Termin.«
    »Das sollte reichen.«
    Das Lächeln des Mannes mit der Hakennase war zu freundlich, um beruhigend zu wirken, und Max wusste aus Erfahrung, dass ein lächelnder Polizist gefährlicher war als ein ernster. Sollten diese beiden jedoch auf der Seite von Recht und Gesetz stehen, dann nicht auf die übliche Weise. Im Übrigen war es nicht weiter verwunderlich, dass sie seinen Namen kannten. In Monte Carlo war er als Máximo Costa registriert, sein venezolanischer Pass war echt und gültig, und er hatte ein Konto mit dreißigtausend Francs bei einer Filiale der Barclays Bank, weitere fünfzigtausend im Hoteltresor, was ihn als achtbaren oder zumindest solventen Kunden auswies. Dennoch hatte er ein beklommenes Gefühl. Seine

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