Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
sensible, auf schwierige Situationen geeichte Nase witterte Ärger.
»Dürfen wir Ihnen einen Drink ausgeben?«
Max warf einen Blick in die Hotelbar mit ihren Kristallleuchten und Wandpaneelen aus lackiertem Holz: Emilio, der Barmann, schwenkte hinter der Theke den Cocktailshaker, und in den Ledersesseln saßen Gäste beim Aperitif. Es war kein geeigneter Ort, um mit diesen beiden zu reden, darum wies er auf die Drehtür zur Straße.
»Gehen wir nach gegenüber. Ins Café de Paris.«
Sie überquerten den Platz vor dem Kasino, dessen Portier ein gutes Gedächtnis für Trinkgeldgeber hatte und Max grüßte. Der Nordwind verlieh dem nahen Meer ein dunkleres Blau als gewöhnlich, und die Berge, die in scharf abgegrenzten Grau- und Ockertönen die Küstenlinie brachen, wirkten klarer und näher in dieser Landschaft an der Côte d’Azur mit ihren Villen, Hotels und Kasinos: einem sechzig Kilometer langen Boulevard, bevölkert von entspannten Kellnern, die auf Kundschaft warteten, gemächlichen Croupiers, die auf Spieler warteten, willfährigen Frauen, die auf betuchte Männer warteten, und pfiffigen Lebemännern wie Max, die auf eine Gelegenheit warteten, aus alldem Profit zu schlagen.
»Es gibt einen Wetterumschwung«, sagte Barbaresco mit himmelwärts gerichtetem Blick zu seinem Kollegen.
Aus irgendeinem Grund, über den nachzudenken er sich nicht die Zeit nahm, klangen diese Worte in Max’ Ohren wie eine Drohung oder Warnung. Die Gewissheit, dass er sich auf Probleme gefasst machen musste, verstärkte sich immer mehr. Er bemühte sich, einen kühlen Kopf zu bewahren, und wählte einen Tisch unter einem Sonnenschirm im ruhigeren Teil der Caféterrasse. Zu ihrer Linken befand sich die imposante Fassade des Kasinos, auf der anderen Seite des Platzes waren das Hotel Plaza und der Sporting Club. Sie setzten sich, der Kellner erschien, und sie bestellten: Barbaresco und Tignanello patriotische Cinzanos und Max einen Riviera-Cocktail.
»Wir haben Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten.«
»Wer ist wir?«
Der Italiener nahm den Hut ab und fuhr sich mit der flachen Hand über den Schädel. Sein Kopf war kahl und sonnengebräunt, was in Verbindung mit den breiten Schultern sehr sportlich wirkte. Athletisch.
»Wir sind Mittelsmänner«, sagte er.
»Wer schickt Sie?«
Ein müdes Lächeln. Der Italiener betrachtete die rote Flüssigkeit in dem Glas, das ihm der Kellner serviert hatte, rührte es aber nicht an. Sein melancholischer Kollege griff nach dem seinen und näherte es vorsichtig den Lippen, als misstraute er der Zitronenscheibe, die darin schwamm.
»Alles zu seiner Zeit«, erwiderte Barbaresco.
»Gut.« Max steckte sich eine Zigarette in den Mund. »Dann lassen Sie mal hören.«
»Ein Auftrag in Südfrankreich. Sehr gut bezahlt.«
Ohne das Feuerzeug zu betätigen, stand Max ruhig auf, winkte dem Kellner und verlangte die Rechnung. Mit Provokateuren, Spitzeln und verdeckten Ermittlern hatte er ausreichend Erfahrung, um die Unterhaltung sofort abzubrechen.
»Meine Herren, es war mir ein Vergnügen. Wie schon erwähnt, habe ich einen Termin. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.«
Die beiden Männer blieben ungerührt sitzen. Barbaresco holte einen Ausweis aus der Tasche und hielt ihn Max aufgeklappt hin.
»Das ist eine ernste Angelegenheit, Herr Costa. Eine offizielle.«
Max blickte auf das Ausweispapier. Neben dem Foto seines Trägers das italienische Wappen und die Initialen SIM.
»Mein Freund hat auch so einen. Stimmt’s, Domenico?«
Der andere nickte stumm, als hätte man ihn, statt nach seinem Ausweis, gefragt, ob er an Tuberkulose leide. Auch er hatte den Hut abgesetzt und sah mit seinen schwarzen, fettigen Locken noch südländischer aus. Sizilianer oder Kalabrier, vermutete Max. »Und die sind echt?«
»Wie geweihte Hostien.«
»Was Sie auch sein mögen, Ihr Zuständigkeitsbereich endet, soviel ich weiß, in Ventimiglia.«
»Wir sind hier zu Besuch.«
Max nahm wieder Platz. Wie jeder Zeitungsleser war er auf dem Laufenden über die Gebietsansprüche Italiens, das seit Mussolinis Machtübernahme die alte Grenze im Süden Frankreichs wiederherstellen wollte und diese Forderung bis zum Fluss Var ausgedehnt hatte. Auch wusste er um die durch den spanischen Krieg und die politischen Spannungen in Europa und den Mittelmeerländern aufgeheizte Stimmung, die zur Folge hatte, dass es an dem französischen Küstenstreifen einschließlich Monaco und bis hinunter nach Marseille von italienischen und
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