Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Haar zu scheiteln oder eine Zigarette anzuzünden, das Schicksal eines kühnen jungen Mannes begünstigend beeinflussen konnte. Hotels, Reisen, Städte, flegelhafte, uninteressante Männer – Mechas Aufzählung war ausgesprochen prägnant und richtig. Jenes alte Europa, das in den Tanzcafés und Ballsälen den Bolero von Ravel und den Tango de la Guardia Vieja tanzte, ließ sich nun nicht mehr durch ein Champagnerglas beobachten.
»Mein Gott, Max ..., du warst umwerfend attraktiv. Mit deiner Selbstsicherheit, so vornehm und zugleich so durchtrieben.«
Sie sieht ihn sehr aufmerksam an, als suchte sie in seinem gealterten Gesicht das des jungen Mannes, den sie einmal kannte. Demütig, bewundernswert stoisch, um die Lippenden feinen Zug eines Mannes von Welt, der sich ins Unabänderliche fügt, lässt er die Prüfung über sich ergehen.
»Es ist schon eine ungewöhnliche Geschichte«, sagt sie dann sanft. »Deine und meine ..., unsere, auf der Cap Polonio, in Buenos Aires, in Nizza ...«
Mit unerschütterlicher Gelassenheit neigt sich Max über den Tisch, ergreift ihre Hand und küsst sie wortlos.
»Was ich neulich gesagt habe, ist nicht wahr.« Mecha dankt ihm die Geste mit einem strahlenden Blick. »Du hast dich sehr gut gehalten.«
Mit höflicher Bescheidenheit hebt er die Schultern.
»Das stimmt nicht. Ich bin ein Greis wie jeder andere, der die Liebe und das Scheitern erfahren hat.«
Mechas lautes Lachen erregt Aufmerksamkeit an den Nachbartischen.
»Verdammter Pirat. Das ist doch auch nicht von dir.«
Max verzieht keine Miene.
»Beweise es.«
»Als du es gesagt hast, warst du schlagartig dreißig Jahre jünger. Hast du dieses Pokergesicht auch aufgesetzt, wenn dich die Polizei verhört hat?«
»Welche Polizei?«
Jetzt lachen sie beide. Auch Max. Ausgelassen. Herzlich.
»Du allerdings siehst wirklich toll aus«, sagt er dann. »Du warst ..., du bist die schönste Frau, die mir je begegnet ist. Die anmutigste, die vollkommenste. Du schienst dich durchs Leben zu bewegen, als würdest du auf Schritt und Tritt von einem Scheinwerfer angestrahlt. Wie diese Filmstars, die Mythen verkörpern, die sie selbst geschaffen haben.«
Mit einem Mal wird Mecha ernst. Dann lächelt sie verdrossen. Ein Lächeln wie aus weiter Ferne.
»Der Scheinwerfer ist schon lange erloschen.«
»Das ist nicht wahr«, widerspricht Max.
Wieder lacht sie auf, aber anders als zuvor.
»Hör zu, es reicht jetzt. Wir sind zwei alte Heuchler, die sich etwas vormachen, während die Jugend tanzt.«
»Möchtest du tanzen?«
»Sei nicht dumm ... Alt, frech und dumm.«
Der Rhythmus der Musik hat sich verändert. Der Sänger mit dem Haarteil und dem bunten Jackett gönnt sich eine Verschnaufpause, es erklingt eine Instrumentalversion von Crying in the Chapel , und die Paare auf der Tanzfläche tanzen eng umschlungen. Auch Jorge Keller und Irina. Das Mädchen hat den Kopf an seine Schulter gelegt und die Hände in seinem Nacken gefaltet.
»Sie sehen verliebt aus«, stellt Max fest.
»Ich weiß nicht, ob das der richtige Ausdruck ist. Du müsstest sie mal sehen, wenn sie am Schachbrett eine Partie zerpflücken. Sie kann unerbittlich sein, und er wird zu einem wütenden Tiger. Oft muss Emil Karapetian den Schlichter spielen. Aber die Kombination trägt ihre Früchte.«
Max sieht sie wieder mit Interesse an.
»Und du?«
»Ich? Na ja, wie schon gesagt, ich bin seine Mutter. Ich bleibe außen vor, so wie jetzt. Und sehe ihnen zu. Passe auf, dass es ihnen an nichts fehlt. Kümmere mich um organisatorische Sachen ... Aber ich kenne immer meinen Platz.«
»Du könntest dein eigenes Leben leben.«
»Und wer sagt, dass dies nicht mein eigenes Leben ist?«
Sacht trommelt sie mit den Fingernägeln auf die Zigarettenschachtel. Schließlich nimmt sie eine, und Max gibt ihr Feuer.
»Dein Sohn ist dir sehr ähnlich.«
Mecha bläst den Rauch aus und runzelt plötzlich die Stirn.
»In welcher Beziehung?«
»Äußerlich auf jeden Fall. Schlank, groß. Wenn er lächelt, erinnert etwas in seinen Augen an dich. Wie war sein Vater? Ehrlich gesagt, erinnere ich mich so gut wie gar nicht an ihn.Ein angenehmer, formvollendeter Diplomat, nicht wahr? Diese Abendgesellschaft in Nizza. Wenig mehr.«
Hinter den grauen Rauchspiralen, die in der leichten Meeresbrise verwehen, hört sie ihm neugierig zu.
»Du könntest sein Vater sein ... Ist dir der Gedanke nie gekommen?«
»Ich bitte dich, das ist doch Humbug.«
»Das ist kein Humbug. Denk doch mal
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