Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
ihrer zweiten Ehe mit einem preußischen Aristokraten, der einem Herzanfall erlegen war, als sein Pferd Marauder 1923 um eine Kopflänge den Grand Prix de Deauville verlor und ihn damit ruinierte. Ohne weitere Mittel, aber mit guten Kontakten, sehr groß, schlank und gepflegt, hatte Asia Schwarzenberg eine Zeit lang als Mannequin für einige der bedeutendsten französischen Modehäuser gearbeitet. In den alten gebundenen Jahrgängen der Vogue und Vanity Fair , wie man sie noch in den Lesesälen der Ozeanriesen und großen Hotels finden konnte, war sie auf vielen Fotos von Edward Steichen oder den Seebergers zu sehen. Und obwohl sie schon auf die fünfzig zuging, musste man zugeben, dass die Art, wie sie sich in ihren Kleidern bewegte – einem dunkelblauen Bolero zu einer weiten hellbeigen Hose, die Max’ geschultes Auge als ein Hermès- oder Schiaparelli-Modell identifizierte –, immer noch umwerfend war.
»Ich brauche einen Kontakt», sagte Max.
»Mann oder Frau?«
»Frau. Hier in Nizza.«
»Schwierig?«
»Ein bisschen. Viel Geld und sehr gute Position. Ich möchte Zugang zu ihrem Kreis.«
Aufmerksam und in vornehmer Haltung hörte Asia Schwarzenberg ihn an, während sie gleichzeitig überlegte – so Max’ Vermutung –, was für sie dabei herausspringen könnte. Neben dem Verkauf antiker Objekte, die angeblich ihrer russischen Familie gehörten, lebte sie seit Jahren davon, Beziehungen zu knüpfen: Sie besorgte Einladungen zu Festen, stellte Verbindungen her, wenn jemand eine Villa mieten oder einen Tisch in einem exklusiven Restaurant ergattern wollte, vermittelte Reportagen in Modejournalen und so weiter. An der Riviera war die Baronin Asia Schwarzenberg eine Art Kupplerin auf höchstem Gesellschaftsniveau.
»Ich frage dich nicht, was du vorhast«, sagte sie, »weil ich es mir ohnehin denken kann.«
»Diesmal ist es nicht ganz so einfach.«
»Kenne ich sie?«
»Sonst würde ich dich nicht belästigen ... Aber wen kennst du nicht, Asia Alexandrowna?«
Als die Foie gras und der Wein kamen und sie sich dem Essen widmeten, setzte Max das Thema aus, und auch die Frau äußerte keinerlei Ungeduld. Fünf Jahre zuvor waren sie einander auf einer Silvesterparty im Embassy in Sankt Moritz zum ersten Mal begegnet und hatten eine kurze Affäre gehabt. Mehr war nicht daraus geworden, da sie sehr schnell erkannt hatten, dass sie beide Windhunde ohne einen roten Heller waren. Somit hatten sie am nächsten Morgen – sie im Nerzmantel über dem Lamékleid und er im Frack – bei Hanselmann Kuchen mit heißer Schokolade gefrühstückt und seither eine freundschaftliche Beziehung gepflegt, in dersie beide ihren Schnitt machten, ohne einander in die Quere zu kommen.
»Ihr seid diesen Sommer in Longchamps zusammen fotografiert worden«, sagte Max schließlich. »Ich habe das Foto in der Marie Claire oder einer dieser Zeitschriften gesehen.«
Die Baronin wölbte in ehrlichem Erstaunen die hauchdünn gezupften, mit einem Pinsel nachgezeichneten Brauen.
»Susana Ferriol?«
»Genau die.«
Der Rohrsessel knirschte leise, als die Baronin sich darin zurücklehnte und die Beine übereinanderschlug.
»Das ist Großwild, mein Lieber.«
»Deshalb wende ich mich ja an dich.«
Max holte das Zigarettenetui hervor, öffnete es und hielt es ihr hin. Er beugte sich vor, um ihr Feuer zu geben, und zündete dann seine eigene Zigarette an.
»Kein Problem.« Die Baronin rauchte gedankenvoll. »Ich kenne Suzi seit Jahren ... Was brauchst du?«
»Nichts Besonderes. Eine Gelegenheit, ihrem Haus einen Besuch abzustatten.«
»Weiter nichts?«
»Nein. Der Rest ist meine Angelegenheit.«
Sie blies eine Rauchfahne in die Luft. Langsam. Nachdenklich.
»Vom Rest will ich auch nichts wissen«, sagte sie mit Nachdruck. »Aber ich weise dich darauf hin, dass sie keine leichtlebige Frau ist. Soweit ich weiß, hat sie nie eine Liebschaft gehabt. Allerdings herrscht bei ihr wegen des Krieges in Spanien derzeit großer Trubel. Ein ständiges Kommen und Gehen, Flüchtlinge und so weiter ... Ein wahres Tohuwabohu.«
Der Begriff Flüchtlinge war durchaus missverständlich, dachte Max. Er gemahnte eher an die armen Leute auf den Fotos der Auslandskorrespondenten: verweinte faltige Bauerngesichter; Familien, die vor Bombenangriffen flohen; schmutzige, auf elenden Kleiderbündeln schlafende Kinder; die Verzweiflung und Armut derjenigen, denen nur noch das nackte Leben geblieben war. Der größte Teil der Spanier, die an der Riviera Zuflucht
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