Dreimond - Das verlorene Rudel
untersetzte Wolfsfrau mit stoppelkurzem Haar, reckte angriffslustig ihr Kinn. Der Wolfsmann neben ihr verzog verächtlich den Mund. Unter seiner buschigen Fellmütze verbarg sich ein dunkles, von breiten, schlecht verheilten Narben entstelltes Gesicht.
Die beiden trugen keine Waffen, hatten schlichte braune Kleidung an. Wozu benötigte einer Waffen, der jederzeit zum Raubtier werden konnte.
Lex erkannte die roten Bänder, die sie um ihre Hüften trugen. Er hatte schon viel von den drei Kohorten der Sichel gehört.
»Ich bin …«, wollte Lex ihnen beschwichtigend zurufen, da fiel ihm der Narbige ins Wort.
»Du hast hier gar nichts zu wollen!«
Sie liefen zu ihm, umkreisten ihn aufs Engste und beschnüffelten ihn.
Als der Narbige sein Gesicht nah an das seine brachte, musste Lex sich verbieten, dessen tiefe Wundmale anzustarren. Ein bedrohliches Funkeln lag in den Augen des Fremden.
»Sieh an, Beller«, knurrte der Fremde, ohne von Lex Abstand zu nehmen. »Hat es sich also doch gelohnt, dass du und ich hier die Wachen spielen müssen, statt bei der großen Schlacht am Waldrand unseren Spaß zu haben! Wir können diesen kleinen dreisten Eindringling begrüßen!«
»Ich bin kein …«, wollte sich Lex verteidigen.
»Schweig! Wir entscheiden, was mit dir zu tun ist!«, herrschte ihn die Wolfsfrau an.
»Wie denn, wenn ihr gar nichts von mir wisst?«, fauchte Lex zurück.
Der Narbige lachte.
»Schau an, wir haben es hier mit einem Heißsporn zu tun.«
Die Wächterin spuckte auf den Boden.
»Ich weiß sehr wohl, was du bist!«, zischte sie. »Du bist ein …«
»Ruhig, Beller!«, mischte sich der andere ein. Sie sah ihn verständnislos an.
»Fangzahn, du riechst doch auch, dass …«
Mit einem Blick brachte er sie zum Schweigen. Sein Mund verzog sich zu einem falschen Grinsen, als er sich an Lex wandte.
»Also, Heißsporn! Was führt dich zu unserem schönen Hort?«
»Nun … Ich habe viel von der Schwarzen Sichel gehört, von eurer Macht und eurem Mut, es den Menschen endlich zu zeigen. Also habe ich mich auf die Reise …«
»Du langweilst mich!«, fiel ihm der Wolf, den die Wölfin Fangzahn genannt hatte, ins Wort. » Mach’s kurz. Was willst du hier?«
»Na, ich will euch beitreten!«, rief Lex.
»Du willst was?«, entfuhr es Beller.
»Ich will der Sichel beitreten!« wiederholte er mit lauter Stimme, um seine Unsicherheit zu überspielen. »Ich … habe gehört, dass die Sichel an Macht gewinnt, eben weil sie immer wieder neue Wölfe aufnimmt!«
»Die Sichel wählt den Wolf, nicht der Wolf die Sichel !«, fuhr ihn die Wächterin an. »Hast du wirklich geglaubt, du könntest einfach hierher spazieren und Forderungen stellen?«
So hatte keiner mit ihm zu reden! Lex wollte die Wölfin anbrüllen, schluckte seine Wut jedoch hinunter.
»Ich bin den weiten Weg hierherkommen, um euch um Einlass in die Rotburg zu bitten!«, sagte er im vermeintlichen Brustton der Überzeugung.
»Bist du das?« Fangzahn grinste. Dabei entblößte er seine spitzen, gelben Zähne. »Dann wollen wir dich nicht enttäuschen …« Mit funkelnden Augen wandte er sich an seine Partnerin. »Wie wäre es, wenn du hier die Stellung hältst, während ich den Heißsporn zu unserem Anführer bringe?«
Die schwache Morgensonne verschwand gänzlich hinter einer Wolkensäule und Beller knöpfe unbehaglich ihre Weste.
»Wir sollten ihn besser davonjagen. Du weißt, dass es verboten ist …«
»Und du weißt, ich habe heute schlechte Laune, also gönn’ mir die Ablenkung«, zischte Fangzahn. »Hauptmann Bluter würde es verstehen.«
»Von mir aus«, seufzte die Wächterin geschlagen. »Aber bring’ es schnell zu Ende.«
Mit undurchdringlichem Blick sah sie zu Lex.
Fangzahn legte ihm schwer seinen Arm um die Schultern und schob ihn durch den Burgeingang.
Lex hielt den Atem an, als sie den Hof betraten, blickte angespannt von dem steinernen Mosaik vor seinen Füßen hinauf zu dem mahnend roten Turm, vor dem ein bulliger Wachmann in Position stand.
Bis auf den Wächter, dessen skeptischen Blick Fangzahn mit einer beschwichtigenden Geste abwehrte, war der Burghof beinahe leer gefegt. Die Wölfe, die an diesem kalten Morgen nicht den siegesgewissen Kampf gegen Lanzburg bestritten, mussten sich in die ledernen Zelte zurückgezogen haben, die sich am Rande der Ruine verteilten. Nur eine kleine Gruppe von Wolfsmenschen wärmte sich ein Stück entfernt an einer glimmenden Feuerstelle. Einer von ihnen legte ein Holzscheit
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