Dreizehn bei Tisch
Die kleinen grauen Zellen – «
»Poirot«, flehte ich verzweifelt. Ich fühlte, dass ich ihn – koste es, was es wolle – am Weiterreden hindern müsse, da ich nicht imstande war, die bis zum Überdruss bekannten Sätze schon wieder zu hören. »Sie erwähnten, dass Sie heute noch einen Besuch zu machen beabsichtigen?«
»Richtig. Ich werde telefonieren, um zu sehen, ob es passt.«
Er ließ mich allein und kehrte nach etlichen Minuten vergnügt wieder. »Alles in Ordnung. Kommen Sie!«
»Wohin gehen wir?«, fragte ich.
»Nach Chiswick, zu Sir Montague Corner. Ich möchte gern ein wenig mehr über jenen Telefonanruf erfahren.«
15
E s schlug zehn Uhr, als wir Sir Montagues am Fluss gelegene Villa erreichten.
Man führte uns in eine Halle, die mit edelsten Hölzern getäfelt war.
»Ich bitte die Herren, mir nach oben zu folgen.« Und die breite Treppe emporsteigend, gelangten wir in ein Zimmer im ersten Stock, das auf die Themse hinausging.
»Monsieur Hercule Poirot«, meldete der Butler.
In einer Ecke des dezent erleuchteten Raumes stand unweit des offenen Fensters ein Bridgetisch. Vier Spieler saßen an ihm. Bei unserem Eintritt erhob sich einer von den vieren und kam auf uns zu.
»Ich fasse es als große Ehre auf, Sie bei mir begrüßen zu dürfen, Monsieur Poirot.«
Sir Montague Corner, ein Männlein, das mir knapp bis zur Achsel reichte, hatte sehr kleine, aber pfiffige schwarze Augen und ein sorgfältig frisiertes Toupet. Seine Manieren waren gekünstelt und geziert.
»Darf ich Sie Mr und Mrs Widburn vorstellen?«
»Wir kennen uns bereits«, sagte Mrs Widburn stolz.
»Und Mr Ross.«
Ross war ein junger Mann von etwa zweiundzwanzig Jahren, mit ansprechendem Gesicht und hellblondem Haar.
»Ich platze als Störenfried mitten in Ihr Spiel. Ich bitte um Entschuldigung«, sagte mein Freund.
»Durchaus nicht. Wir haben noch gar nicht zu spielen begonnen, nur erst die Karten gemischt. Kaffee gefällig, Monsieur Poirot?«
Hercule Poirot lehnte dankend ab, nahm aber einen alten Brandy an, der uns in ungeheuren Bechern serviert wurde.
Während wir ihn kosteten, plauderte Sir Montague bald über japanische Holzschnitte und chinesische Lackarbeiten, bald über persische Teppiche. Von den französischen Impressionisten gelangte er zur modernen Musik und hintendrein zu Einsteins Relativitätstheorie. Dann lehnte er sich zurück und lächelte uns wohlwollend zu. In dem sorgfältig abgetönten dämmerigen Licht des Zimmers, das die erlesensten Kunstschätze füllten, wirkte er wie ein mittelalterlicher Mäzen.
»Und nun will ich Ihre Gastfreundschaft nicht länger missbrauchen«, erklärte Poirot, »sondern zu dem eigentlichen Zweck meines späten Besuches kommen.«
Sir Montague wedelte mit einer merkwürdig klauenartigen Hand durch die Luft. »Das eilt gar nicht, bester Herr. Wir haben Zeit in Hülle und Fülle.«
»Ja, das fühlt man, sobald man nur den Fuß über die Schwelle Ihres Heims setzt«, seufzte Mrs Widburn verzückt.
»Wenn man mir eine Million Pfund schenkte, so würde ich nicht in London selbst wohnen«, sagte Sir Montague. »Hier draußen herrscht eine Atmosphäre von Frieden und Stille, die unser hektisches, lärmendes Zeitalter nicht mehr kennt.«
»In einer solchen Atmosphäre von Verbrechen zu sprechen, ist eigentlich unverzeihlich«, begann Poirot.
»Durchaus nicht.« Wieder wedelte Sir Montague gnädig mit der Hand. »Ein Verbrechen kann ein Kunstwerk sein und ein Detektiv ein Künstler. Natürlich gilt dies nicht für die Polizei. Da war zum Beispiel heute ein Inspektor bei mir, ein wirklich komischer Kauz. Können Sie sich vorstellen, dass der Mann noch nie etwas von Benvenuto Cellini gehört hatte?«
»Vermutlich war er wegen Jane Wilkinson bei Ihnen, wie?«, fragte Mrs Widburn in schnell entbrannter Neugier.
»Die Dame kann von Glück sagen, dass sie sich gestern Abend in Ihrem Haus aufgehalten hat«, mischte sich Hercule Poirot ein.
»Das scheint so. Ich lud sie ein, weil sie schön und talentiert ist und weil ich hoffte, ihr von Nutzen sein zu können. Und nun hat es das Schicksal gewollt, dass ich ihr in einem ganz anderen Sinn, als wir ahnten, von Nutzen bin.«
»Jane ist eben ein Glückskind«, meinte Mrs Widburn. »Nichts hat sie sich so sehnlich gewünscht, wie Lord Edgware loszuwerden. Und da kommt ein Unbekannter und räumt ihr alle Hindernisse aus dem Weg. Man munkelt übrigens, dass sie den Herzog von Merton heiraten wird. Seine Mutter soll außer sich
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