Dreizehn bei Tisch
gehört hatten.«
Er schwieg. Mir schien, als müsse er einer echten Bewegung Herr werden – war sie aber nicht echt, so wusste er sie durch ein leichtes Beben der Stimme unwahrscheinlich gut vorzutäuschen.
»Nun, ich wies das großmütige Angebot nicht zurück. Durch Beleihung der Perlen konnte ich mir das erforderliche Geld verschaffen, Inspektor. Aber gleichzeitig schwor ich meiner Kusine, dass ich sie ihr wiedergeben würde, und sollte ich auch nur durch härteste Arbeit dazu imstande sein. Leider befanden sich die Perlen jedoch in Regent Gate. Auf diese Art kam Ihr Chauffeur zu seinen Fahrgästen, Inspektor.
Hat er Ihnen berichtet, dass wir auf der entgegengesetzten Seite einige Häuser entfernt halten ließen? Das geschah, damit niemand durch ein vorfahrendes Auto aufmerksam werden sollte. Geraldine, die ihren Schlüssel bei sich hatte, wollte sich möglichst lautlos hinauf in ihr Zimmer begeben und hoffte, dass ihr dies unbemerkt glücken würde, da Miss Carroll meist um halb zehn zu Bett ging und mein Onkel sicher in der Bibliothek saß. Ich sah ihr nach, wie sie die Straße überquerte, drüben an der Häuserreihe entlangschritt und endlich im Haus verschwand. Und nun, Inspektor, komme ich zu dem Teil meiner Geschichte, den Sie wahrscheinlich für Schwindel halten werden.
Ein Mann bog in die Straße ein, ging auf dem jenseitigen Bürgersteig an mir vorüber, stieg dann gleichfalls die Stufen zu Nr. 17 empor und betrat das Haus. Aus zwei Gründen war ich starr vor Staunen: erstens, weil der Betreffende die Haustür mit einem Schlüssel geöffnet hatte, und zweitens, weil ich in ihm einen bekannten Filmschauspieler erkannt zu haben glaubte.
Dieser Sache musste ich auf den Grund gehen! Zufällig trug ich meinen eigenen Schlüssel zu Nr. 17 in der Tasche. Ich hatte ihn vor drei Jahren verloren oder glaubte ihn wenigstens verloren, bis er mir vor zwei Tagen unerwartet in die Hände gefallen war. Ihn, wie ursprünglich beabsichtigt, meinem Onkel vormittags zurückzugeben, hatte ich in der Hitze unserer Auseinandersetzung vergessen, und beim Umkleiden hatte ich ihn mit dem gesamten anderen Tascheninhalt in die Smokinghose gesteckt.
Ich befahl dem Chauffeur zu warten, rannte quer über die Straße bis zu Nr. 17, sprang die Stufen empor und öffnete die Tür. Keinerlei Anzeichen eines soeben eingetretenen Besuchers. Ich schaute mich nach allen Seiten um und schlich mich hinauf zur Bibliothek. War der Mann bei meinem Onkel, so würde man ja Stimmengemurmel hören. Aber nicht ein Laut drang zu mir hinaus.
Und plötzlich schalt ich mich einen Dummkopf. Natürlich hatten mich die Entfernung und die mangelhafte Straßenbeleuchtung genarrt, und der Mann war gar nicht in Nr. 17, sondern wahrscheinlich im Nebenhaus verschwunden.
Ich ging auf den Zehenspitzen zur Haustür zurück, und im gleichen Augenblick kam Geraldine mit den Perlen in der Hand die Treppe herab. Als sie mich sah, fuhr sie selbstverständlich zusammen, und ich zog sie rasch nach draußen und erklärte ihr den Zusammenhang.
Dann ging’s so schnell wie möglich zur Oper zurück, wo wir gerade beim Aufziehen des Vorhangs unsere Plätze wieder einnahmen. Niemand ahnte etwas von unserer Abwesenheit, denn in der warmen Sommernacht hatten viele Besucher im Freien Luft geschöpft.«
Er machte eine Pause und holte tief Atem.
»Ich weiß, Inspektor, dass Sie mir jetzt entgegnen werden, ich hätte Ihnen das sofort erzählen sollen. Aber nun möchte ich Sie fragen: Würden Sie leichtherzig zugeben, dass Sie in der fraglichen Stunde am Schauplatz des Verbrechens gewesen sind, wenn man Ihnen ohnedies schon triftige Gründe für den Mord vorrechnen kann?
Wir hatten nichts mit dem Mord zu tun, wir hatten nichts gesehen, nichts gehört. Auf Ehre und Gewissen versichere ich Ihnen, dass ich glaubte, Tante Jane sei die Schuldige. Weshalb sollte ich mir selbst Ungelegenheiten bereiten?«
»Miss Marsh willigte in dieses… hm, Vertuschen ein?«
»Ja. Sobald ich von dem Mord erfuhr, ging ich zu ihr und beschwor sie, über unseren Abstecher Schweigen zu bewahren und auf Befragen zu erklären, dass wir in der letzten Pause zusammen gewesen und ein wenig draußen im Freien umherspaziert wären. Sie begriff meine Lage und ging ohne Weiteres auf meinen Vorschlag ein. Ich weiß, Inspektor, dass es einen verflucht schlechten Eindruck macht, wenn ich erst jetzt mit der Wahrheit herausrücke. Aber es ist die Wahrheit. Ich kann Ihnen Namen und Adresse des Mannes geben, der
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