Drimaxid 01 - Die Zelle
Kunststoffschale an seinen Lippen an und neigte seinen Kopf vorsichtig nach hinten, sodass etwas von dem Inhalt (kohlenstoffarmes Leitungswasser) in seinen Mundraum tropfte. Er verschluckte sich und hustete. Jemand klopfte ihm unsanft auf den Rücken.
In seinen Träumen schwamm er durch den schimmernden See und genoss das kühle Nass. Er machte einige Delfine aus, die vor ihm durch das Wasser jagten.
Ich will mit den Delfinen schwimmen , dachte Adam. Ich will frei sein.
Er spürte, dass diese grotesken Metaphern, die sein Verstand immer wieder erschuf, viel tiefgründiger waren, als er zuerst gedacht hatte. Folglich verwarf er diese komplexen Gedankengebilde schon lange nicht mehr so leichtfertig wie zu Beginn, als er in der Zelle aufgewacht war, die damals noch Kubus des Schreckens geheißen hatte. Es handelte sich bei diesen Bildern, so glaubte er zumindest, um eine verschlüsselte Nachricht seines Unterbewusstseins. Der Wunsch nach Freiheit …
Welche Freiheit mochte gemeint sein?
Die Freiheit, die er nun fühlte, da er nicht mehr in dem stählernen Würfel steckte? – Viel zu einfach.
Die Hoffnung, dass der Krieg vielleicht während seiner Zeit hier auf dem Raumschiff irgendwie, irgendwo, irgendwann zu Ende gegangen war und alle Völker der United Planets in Freiheit lebten? – Zu unwahrscheinlich.
Schließlich hatte Adam gesehen, wie die schwarzen Scherenschnittmänner gekämpft hatten. Sie waren wie tollwütige Tiere über die Soldaten hergefallen und hatten fürchterlich unter ihnen gewütet. Das Todesplateau und die Basis darauf waren verloren. Ein schlimmer Verlust für die United Planets, den man nur schwer kompensieren konnte.
Adam schluckte und schluckte, aber es tropfte kein Wasser mehr in seinen Mund. Widerwillig löste er sich aus seinem wundersamen Traum und kehrte vollends in die grausame Wirklichkeit zurück. Die Schale stand neben ihm. Sie war nur zehn Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Trotzdem kam es ihm vor, als würden ganze Galaxien zwischen ihm und dem Behältnis liegen.
»Du hast genug getrunken«, kommentierte Roland seinen sehnsüchtigen Blick. »Ich weiß, dass dein Durst noch lange nicht gestillt ist, aber wir müssen deinen Körper langsam wieder an Flüssigkeit gewöhnen.«
Adam wollte antworten, aber er brachte keinen Ton heraus.
»Schlaf«, befahl ihm Roland, der irgendwo neben ihm saß.
Adam sah zwei Finger, die seine Augenlider behutsam schlossen. Er wollte sie sofort wieder öffnen, aber er hatte nicht die nötige Kraft dazu. Also kehrte er wieder zu der traumhaften Seenlandschaft zurück.
*
»Iss!« Ein einfaches Wort. Eine fantastische Welt. Über Adams Kopf schwirrten geflügelte Hamburger durch die Luft. Er musste nur seinen Mund öffnen und einer von ihnen würde willenlos hinein fliegen.
In Wirklichkeit steckte ihm jemand irgendeinen trockenen Riegel in den Mund und bewegte seinen Kiefer um den im ersten Moment geschmacksneutralen Brocken zu einem feuchten Brei zu zerkauen, sodass er ihn schlucken konnte, ohne daran zu ersticken.
Adam gefiel die wundersame Vorstellung vom Schlaraffenland und er blieb in seinen Träumen, statt zu erwachen. Er rutschte eine teerfarbige Lakritzstange hinunter und biss genüsslich in einen saftigen Apfel, den er von einem echten Baum pflückte. Der Fruchtsaft spritzte nur so.
In Wirklichkeit gab ihm jemand wieder zu trinken.
Schales Leitungswasser. Wieder lauwarm.
In seinen Träumen tauchte Adam auf dem Grund eines Apfelsaftsees nach verborgenen Leckerbissen. Die frechen Delfine begegneten ihm. Er wollte sie anhalten und sie etwas fragen, aber sie schwammen einfach an ihm vorbei, dann hatte er auch schon vergessen, wonach er sich erkundigen wollte.
Adam schmeckte den wahren, bitteren Geschmack des Riegels in seinem Mund. Er hätte sich beinahe übergeben.
»Zu früh«, drang eine Stimme wie durch Watte in seine rosarote Traumwelt.
»Schlaf.«
Und Adam schlief.
*
Adam wachte auf. Er träumte nicht, wurde aber auch nicht wirklich wach. Er existierte für den kurzen Augenblick, in dem er zu sich kam, in einem geheimnisvollen Zustand zwischen Wachsein und Schlafen.
Jemand fütterte ihn und gab ihm zu trinken.
Dann übermannte ihn die Schwäche wieder.
*
Dieses Mal hatte Adam länger geruht als die vorigen Male. Er arbeitete sich mühsam in eine halb sitzende Position. Die simple Bewegung überforderte ihn fast. Als er es geschafft hatte, blitzten bunte Lichtreflexe vor seinen Augen auf.
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