Drimaxid 01 - Die Zelle
schlurfenden Schritte des Anweisers verstummten. Adam konnte den vernichtenden Blick des Mannes in seinem Rücken spüren.
»Sie haben gefragt, was ich tue, wenn ich auf dem Schlachtfeld einem von ›denen‹ gegenüberstehe«, erinnerte sich Adam an die Worte des Anweisers. »Nun, ich denke ich werde ihm das Hirn wegblasen.«
Er drehte sich herum. Der Anweiser lächelte ein Furcht einflößendes Haifischlächeln.
»Ja, das wirst du wahrscheinlich wirklich tun«, stimmte ihm der Anweiser grinsend zu.
*
Seine Mutter hatte ihm einmal eine Gute-Nacht-Geschichte erzählt. Sie hatte ihm nur selten Gute-Nacht-Geschichten erzählt, darum konnte er sich sehr gut an diese Erzählungen erinnern.
Mit der Geschichte war es jedoch wie mit den Gebeten und Psalmen. Er fand nur noch Scherben davon in seiner Erinnerung und musste sie wie ein Archäologe mühsam ausbuddeln und wieder zusammensetzen.
Zwei Kinder verirrten sich im Wald …
Und dann war da noch etwas mit einer Hexe …
War die Hexe gut oder böse gewesen? Er hatte keine Ahnung … Auch in der heutigen Zeit gab es noch viele verrückte Frauen, die sich für Hexen hielten. Arme, verwirrte Seelen. Doch Adam merkte, dass er abschweifte und fokussierte die Geschichte.
Zwei Kinder verirrten sich im Wald …
Jetzt fiel es ihm wieder ein. Es war ein Gedicht gewesen und es hatte mit den Namen der Kinder begonnen. Aber an die erinnerte er sich nicht mehr.
Adam und Roland verirrten sich im Universum … , summte eine leise Stimme in seinem Kopf die Melodie mit einem leicht veränderten Text.
Eines der Kinder war ein hübsches Mädchen gewesen. Irgendwie schienen seine Gedanken immer skurriler zu werden und obwohl es seine Gedanken waren, konnte er ihnen nur schwer folgen.
Er hatte sich damals gefürchtet, als seine Mutter ihm die Gute-Nacht-Geschichte erzählt hatte. Wahrscheinlich war es ihm darum auch wieder eingefallen. Zwei Kinder ganz alleine im Wald. Adam kannte echte Wälder nur von alten Digitalfotos, fand sie aber unheimlich, dunkel und abstoßend. Welche Gefahren mochten früher in einem solchen Wald gelauert haben?
Die Hexe, genau! , erinnerte er sich.
Sie war bestimmt böse gewesen. Die Quelle seiner Angst.
Seine Lippen begannen ohne sein Zutun die Melodie des Liedes zu summen. Er hatte Hunger, aber er aß nichts. Darum war ihm die Gute-Nacht-Geschichte eingefallen! Er wollte sich damit von dem bohrenden Hungergefühl in seinem Magen ablenken.
Roland hockte auf dem weißen Schemel in der Ecke.
Irgendetwas stimmt nicht mit ihm , bemerkte Adam. Er sieht krank aus und er ist so still.
»Hey!«, rief Adam dem Krieger zu. »Kennst du diese Melodie?«
Er summte sie Roland vor. Zuerst hörte dieser teilnahmslos zu, dann stimmte er plötzlich mit ein, summte ein wenig mit und sang sogar den Text, den Adam vergessen hatte.
»Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald. Es war so finster und auch so bitterkalt …«
Hänsel und Gretel, das waren die Namen der zwei Kinder gewesen! Adam freute sich, dass er dieses Geheimnis gelüftet hatte.
»… Sie kamen in ein Raumschiff, wo eine Hexe war. Sie fraß die Kinder und brachte sie als Opfergabe dar«, fuhr Roland fort.
Der letzte Teil passte nicht in den Rhythmus der Melodie und Adam war sich sicher, dass Roland ihn erfunden hatte. Aber die Hexe … nun, die hatte es wirklich in der Geschichte gegeben. Adams Blick glitt zu der Schleuse hinüber.
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen , fiel ihm auf.
»Was ist hinter der Schleuse?«, fragte Adam unvermittelt.
Er glaubte, dass er Roland mit der spontanen Fragestellung überlisten konnte. Adam hoffte, dass der Krieger ihm antwortete, ohne darüber nachzudenken. Aber das tat er natürlich nicht. Roland saß da, die Beine übereinander geschlagen und die Hände vor dem Gesicht, und piff die Melodie des Liedes.
»Komm schon, Roland. Was ist hinter der Schleuse?«
»Dam-Dam-Da-Dam-Dam-Da-Dam-Dam-Dam-Da-Dam«, machte Roland.
»Ich weiß, dass du es weißt. Und du weißt, dass es sehr wichtig für uns beide ist. Also warum sagst du mir nicht, was hinter der verdammten Schleuse ist?«
»Sie kamen in ein Raumschiff, wo eine Hexe war. Sie fraß die Kinder und brachte sie als Opfergabe dar«, sang Roland voller Heiterkeit und lugte dabei mit dem linken Auge zwischen seinen Fingern hindurch.
»Ich kann auch selber nachschauen«, drohte Adam.
Jedenfalls klang es wie eine Drohung. Es handelte sich um einen Schuss ins Blaue, der direkt ins Schwarze traf. Roland
Weitere Kostenlose Bücher