Drimaxid 01 - Die Zelle
stachelte Roland ihn auf. »Tu's! Du musst es schnell tun. Sonst verlässt dich der Mut. Sonst schwindet die Vernunft. Der Wahnsinn wird stärker. Du musst ihm entwischen. Tu's, Adam! Bei Gott, tu's!«
Adam blickte auf seine Handgelenke. Jungfräulich lagen sie vor ihm. Ein simpler Schnitt quer über die Haut … Die Wanne voller Blut … Sterben, wie einschlafen …
»Tu's!«, kreischte Roland. »Tu's schnell! Tu's jetzt!«
Das Skalpell näherte sich Adams Hand, die zitterte. So sollte er also sterben? Wie ein Selbstmörder mit einer Rasierklinge?
Leben, nur um zu leben? Sinnlos.
Nur der Tod hat Sinn.
Nicht den Verstand verlieren.
Adam sammelte all seinen Mut und zog die Klinge quer über seine Haut. Es ging überraschend leicht. Er spürte gar keinen Schmerz. Die Haut öffnete sich wie der Mund einer Frau beim Küssen und Blut quoll heraus wie eine fleischige Zunge. Eine zähe Masse, die zu einem roten, berauschenden Storni wurde.
»Du hast es getan!«, jubelte Roland, war aber zu feige selbst zum Skalpell zu greifen. Das präzise Operationsmesser entglitt Adams Händen und fiel klirrend zu Boden, während Roland hinter ihm eine Art Freudentanz vollführte. »Er hat es getan!«
Kraftlos sackte Adam nach hinten und schlug sich den Kopf am Wannenrand an. Auch diesen Schmerz nahm er nicht wahr. Adam hatte sich in einen Kokon der Gleichgültigkeit eingewoben. Wie sein Vater … Seine Sinne schwanden bereits.
Wie viel Blut habe ich schon verloren?
Er hatte vergessen das Wasser abzuschalten. Die Wanne lief über. Blutgetränktes Wasser schwappte über den Rand und tropfte auf die weißen Fliesen. Adams Blut schwamm in der Wanne. Adams Blut klebte auf dem Boden. Der Raum war voll geschmiert mit seinem Blut. Das Wasser stieg weiter und er starb noch immer nicht.
Ich werde ertrinken , fantasierte er. Ich werde in meinem eigenen Blut ertrinken.
Roland sprang hinter ihm auf und ab.
Platsch , machten seine Füße.
Platsch. Platsch.
Wasser spritzte in die Höhe.
Adam fühlte seine Beine nicht mehr und rutschte nach vorne. Sein Gesicht versank unter der Wasseroberfläche. Er sah die Decke, als würde er durch einen blutigen Spiegel hindurchschauen.
» Nicht! «, hörte er eine Stimme, aber sie war unendlich weit entfernt.
Das Wasser wurde abgestellt. Adam machte Eves Gesicht über sich aus. Sie war wunderschön. Die roten Schlieren zeichneten einen grotesken Bilderrahmen ins Wasser, der ihr Antlitz einfasste. Sie packte ihn und zog ihn durch den blutigen Spiegel hindurch und aus dem kalten Wasser hinaus. Er prustete. Jemand schlug ihm auf den Rücken.
»Ich lasse dich nicht sterben«, versprach ihm Eve.
Hektisch zog sie ihr Hemd aus und riss die Ärmel ab, um damit die Wunde an seinem Handgelenk zu verbinden. Sie zog den improvisierten Verband so fest, dass er sich in Adams Fleisch schnitt.
Über ihnen erwachte das lang gezogene Scharren. Niemand achtete darauf.
»Du warst zu langsam«, nörgelte Roland. »Wenn du Pech hast wird sie dich retten.«
»Verschwinde!!!«, schrie Eve.
Der Krieger verzog beleidigt das Gesicht und verließ den Raum.
»Ich lasse dich nicht sterben«, schluchzte Eve.
Salzige Tränen tropften auf Adams Wange. Er musste an die fantastische Himmelslandschaft denken, die er beim Abflug des Fluchtschiffs gesehen hatte.
Ich habe meinen Frieden gefunden …
Adam schloss seine Augen und schlief leise ein.
Roland II
»Wach auf«, bohrte sich eine Stimme in seinen Verstand. Adam wehrte sich dagegen. Er wollte sie abschütteln, aber es gelang ihm nicht.
»Komm schon. Wach auf.«
Die Worte schoben sich ungewollt in sein Bewusstsein. Es kam einer Vergewaltigung gleich. Gleichzeitig schüttelte ihn jemand. Adam existierte in zwei Welten zugleich. Halb schlafend. Halb wach. Es war ein seltsames Gefühl. Diese ungewohnte Gespaltenheit hatte etwas Verruchtes.
»Adam.«
Sein Name. Welche Macht dieses simple Wort, dieses Gebilde aus vier Buchstaben, über ihn hatte …
Adam … , und schon waren seine Augen auf.
Alles drehte sich und war verzerrt, als würde er durch ein Kaleidoskop blicken. Viel zu hell … Viel zu hell … Er wälzte sich herum und stöhnte. Sein Hals brannte. Schlimmer war da nur der pochende Schmerz in seiner dick bandagierten Hand. Adam hätte es nicht für möglich gehalten, dass man sich auf einer so kleinen Fläche derartig viele Verletzungen zuziehen konnte.
Die Fingerknöchel waren dick angeschwollen und von Schnittwunden übersät. Dazu kamen
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