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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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kam, waren wir
bereits von dem Unfall informiert worden. Wir fuhren hin und identifizierten
die Leiche.«
    »Gab es irgendwelche Zeugen?«
    »Eine Frau am Empfang im Gipsy Motel
hörte den dumpfen Schlag«, sagte er. »Sie lief hinaus, um zu helfen, aber der
alte Mann war schon tot. Sie war es auch, die die Polizei benachrichtigte.«
    »Wissen Sie den Namen noch?«
    »Nicht auswendig. Mr. McKell wird Ihnen
sicher sagen können, wie die Frau hieß. Vielleicht ist sie ja immer noch dort.«
    »Ich denke, ich sollte auf jeden Fall
mit ihm sprechen. Falls der Fahrer inzwischen ermittelt wurde, brauche ich
nicht noch mehr Leute mit meinen Fragen zu belästigen.«
    »Ich möchte meinen, er hätte uns
Bescheid gesagt, wenn es so wäre. Bitte rufen Sie mich doch an, und lassen Sie
es mich wissen, wenn Sie etwas herausfinden. Das würde mich sehr entlasten.«
    »Das werde ich tun, Mr. Hugo. Vielen
Dank für Ihre Hilfe.«
    Ich telefonierte von einer Zelle bei
einem Hamburger-Imbiss an der oberen State Street. Es war unsinnig, ins Büro
zurückzufahren, wenn die Unfallstelle nur zwei Ecken weiter war. Ich nahm einen
Stift und einen Block heraus, um gegebenenfalls Notizen machen zu können.
    Am anderen Ende meldete sich eine
Männerstimme mit Hartford McKell. Ich erklärte, wer ich war und was ich wollte.
Er klang wie ein ziemlich humorloser Mensch — geradeaus, ungeduldig, mit dem
Hang, einen zu unterbrechen. Was den Tod seines Vaters betraf, schnitt er jede
Beileidsbekundung sofort ab. Die Geschichte schien förmlich aus ihm
herauszubrechen, sein Zorn trotz der langen Zeit, die vergangen war,
unvermindert. Ich sagte nichts, von gelegentlichen Zwischenfragen abgesehen.
Der Fahrer des Wagens war nie ermittelt worden. Die Polizei von Santa Teresa
hatte eine gründliche Untersuchung eingeleitet, aber außer den Reifenspuren war
am Unfallort nicht viel zu finden gewesen. Die einzige Zeugin — die
Motelangestellte, eine gewisse Regina Turner — hatte eine grobe Beschreibung
des Lieferwagens geben können, das Kennzeichen jedoch nicht erkennen können. Es
war einer jener Unfälle gewesen, die allgemeine Empörung hervorriefen, und
McKell hatte fünfundzwanzigtausend Dollar Belohnung für jeden Hinweis
ausgesetzt, der zur Ergreifung und Bestrafung des Täters führte. »Ich hatte Pop
aus San Francisco hierher geholt. Er hatte einen Schlaganfall, und ich wollte
ihn in der Nähe haben. Wissen Sie, wo er hinwollte, wenn er aus dem Heim weglief?
Er dachte, er sei immer noch droben in San Francisco, nur ein paar Blocks von
seiner Wohnung. Er wollte nach Hause, weil er sich Sorgen um seine Katze
machte. Das Tier ist seit fünfzehn Jahren tot, aber Pop wollte sich
vergewissern, dass es seiner Katze gut ging. Es macht mich rasend, wenn ich
daran denke, dass der Mörder ungeschoren davongekommen ist.«
    »Ich kann verstehen...«
    Er fiel mir ins Wort. »Das kann niemand
verstehen, aber eines will ich Ihnen sagen: Man überfährt doch keinen alten
Mann und rast dann einfach weiter, ohne sich auch nur umzudrehen.«
    »Panik«, sagte ich. »Um ein Uhr morgens
sind die Straßen praktisch leer. Der Fahrer hat wahrscheinlich gedacht, nur
weg, dann merkt keiner etwas.«
    »Was der Kerl sich gedacht hat, ist mir
egal. Ich will, dass sie ihn kriegen. Das ist alles, was mich interessiert.
Haben Sie etwas, was uns hilft, ihn zu schnappen, oder nicht?«
    »Ich bin dran.«
    »Finden Sie den Fahrer, und die
fünfundzwanzigtausend gehören Ihnen.«
    »Ich weiß Ihr Angebot zu schätzen, Mr.
McKell, aber das ist nicht mein Hauptinteresse. Ich werde tun, was ich kann.«
    Wir beendeten unser Gespräch. Ich
setzte mich wieder in mein Auto und fuhr die State Street hinunter, bis zu
jener Kreuzung zwei Querstraßen weiter, wo der alte McKell ums Leben gekommen
war. An den vier Ecken gab es ein Motel, ein freies Grundstück, ein
medizinisches Behandlungszentrum mit viel Grün und einen kleinen Bungalow, der
aussah wie ein Privathaus, jetzt aber Maklerbüros beherbergte. Das Gipsy Motel
war ein schlichter Block aus Übernachtungseinheiten, mit dem ganzen
architektonischen Charme eines Schuhkartons, ringsum von Parkplätzen umgeben.
An der Frontseite ragte ein metallener Ziehharmonika-Vorbau heraus. Der
zweistöckige Bau stammte offenbar aus den sechziger Jahren und bestand vor
allem aus Beton und automatischen Alu-Glas-Gleittüren. Ich stellte meinen Wagen
auf dem Parkplatzteil ab, der für die Anmeldung reserviert war. Das Büro war
ein Glaskasten mit

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