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Dringernder Verdacht

Dringernder Verdacht

Titel: Dringernder Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Haar war diesmal offen und hing ihr bis auf
den halben Rücken, die Strähnen vom Flechten noch deutlich gewellt. Ihre Augen
waren klar, ihr Gesicht rosig. Irgendwie setzte es mir zu, dass sie so jung
aussah.
    Ich orientierte mich mit einem kurzen
Blick.
    Der Wohnteil des Häuschens bestand in
einem kombinierten Ess-Wohnzimmer mit einer kleinen offenen Küche im
Hintergrund. An den Wänden hingen Original-Kunstwerke, wahrscheinlich Rhes
eigene Produktion. Die Böden waren aus mexikanischen Tonfliesen. Die Couch war
mit handbemaltem Zeltleinen bezogen — breite Pinselstriche in Himmelblau,
Lavendel und Maulwurfsgrau, mit lässig über die ganze Sitzfläche verteilten
himmel- und lavendelblauen Kissen. Die übrigen Sitzgelegenheiten waren
preisgünstige Mexiko-Importe, karamellfarbenes Leder in einem tonnenförmigen
Rattangestell. Es gab einen offenen Kamin, und überall standen große Körbe mit
getrockneten Blumen. Von einem Bord in der Küche hing kupfernes Kochgeschirr.
Getrocknete Kräuter baumelten von den Deckenbalken. Durch eine zweiflügelige
Glastür sah ich einen kleinen Hof mit einem Pfefferbaum und einer Menge
blühender Topfpflanzen.
    »Ist Ihre Mutter da?«
    »Sie ist einkaufen. Muss jeden Moment
wieder da sein. Was wollten Sie denn? Ich habe es wirklich eilig und nicht
lange Zeit.« Ich nahm mir die Freiheit, mich auf die Couch zu setzen, obgleich
man nicht behaupten konnte, sie hätte mir einen Platz angeboten. Sie wählte
eines der mexikanischen Sitzmöbel und ließ sich ohne große Begeisterung
hineinfallen.
    Ich streckte ihr kommentarlos die Fotos
hin.
    »Was ist das?«
    »Schauen Sie’s sich an.«
    Sie öffnete stirnrunzelnd den Umschlag
und zog die Fotos heraus. Sie ging sie mit gleichgültiger Miene durch, bis sie
zu dem mit dem Olympic-Painting-Lieferwagen kam. Aufgeschreckt sah sie mich an.
»Sie haben den Wagen von meinem Dad fotografiert?«
    »Diese Bilder hat ein anderer Detektiv
gemacht.«
    »Weshalb?«
    »Der Lieferwagen Ihres Vaters wurde in
der Nacht, als Ihre Tante ermordet wurde, zwei Mal gesehen. Ich nehme an, dass
der andere Ermittler diese Bilder einer Zeugin zur Identifikation vorlegen
wollte.«
    »Zeugin wofür?« Ich meinte, in ihrer
Stimme einen erschrockenen Unterton zu hören.
    Ich hielt meine Stimme so ruhig und
sachlich, wie ich konnte. »Einen Unfall mit Fahrerflucht, bei dem ein alter
Mann ums Leben kam. Das war auf der oberen State Street in South Ro-ckingham.«
    Sie schien außer Stande, die nächste
Frage zu stellen, die da hätte lauten müssen: Warum erzählen Sie mir das? Sie
wusste, worauf ich hinauswollte.
    Ich fuhr fort: »Ich dachte, wir sollten
noch einmal darüber sprechen, wo Sie in der fraglichen Nacht waren.«
    »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, ich
war nirgends.«
    »Das haben Sie«, sagte ich
achzelzuckend. »Dann war es vielleicht Ihr Vater, der den Wagen gefahren hat.«
    Wir starrten uns in die Augen. Ich
konnte sehen, wie sie ihre Chancen kalkulierte, sich aus dieser Zwickmühle
herauszuwinden. Wenn sie nicht zugab, dass sie unterwegs gewesen war, schob sie
ihren Vater in die Schusslinie.
    »Mein Dad ist nicht gefahren.«
    »Dann waren Sie’s?«
    »Nein!«
    »Wer dann?«
    »Woher soll ich das wissen? Vielleicht
hat jemand den Wagen geklaut und eine kleine Spritztour gemacht.«
    »Ach, hören Sie auf, Tippy. Kommen Sie
mir nicht damit. Sie waren mit dem Wagen unterwegs, und Sie wissen verdammt
genau, dass es so war. Also lassen Sie die Mätzchen und reden Sie.«
    »Ich war nicht weg!«
    »Hey, nun sehen Sie doch mal den
Tatsachen ins Auge. Ich fühle ja mit Ihnen, Mädchen, aber Sie werden nicht
umhinkönnen, die Verantwortung für das, was Sie getan haben, auf sich zu
nehmen.«
    Sie schwieg und starrte zu Boden,
sichtlich stur und verstockt. Schließlich sagte sie: »Ich weiß überhaupt nicht,
wovon Sie reden.«
    Ich gab ihr einen verbalen Schubs. »Was
war los? Waren Sie betrunken?«
    »Nein.«
    »Ihre Mutter hat mir erzählt, dass man
Ihnen eine Zeit lang den Führerschein entzogen hat. Hatten Sie den Wagen ohne
Erlaubnis genommen?«
    »Sie können mir nichts nachweisen.«
    »Ach, nein?«
    »Wie wollen Sie denn noch irgendetwas
beweisen? Das ist sechs Jahre her.«
    »Zunächst einmal habe ich zwei
Augenzeugen«, sagte ich. »Die eine Person hat Sie von der Unfallstelle
wegfahren sehen. Die andere sah Sie kurz darauf an der Ausfahrt Freeway Süd/San
Vicente. Wollen Sie mir nicht erzählen, was damals passiert ist?«
    Ihr Blick flackerte nervös,

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