Dritte Halbzeit: Eine Bilanz (German Edition)
brauchst du kein großes Konzept. Und wenn die unseren nichts gerissen haben, kam halt die rot-weiß-rote Deko zum Einsatz, und es wurde kurzerhand der Österreicher-Tag ausgerufen. Wenn wir Musik gebraucht haben, hat Wasi Zither gespielt, Kati Witt Triangel, der Hackl Schorsch Blockflöte und Harald Orgel. Und egal, was passiert ist, Harald ist immer locker geblieben.
Die erste Sendung war, sagen wir, suboptimal. Schmidt hat konsequent nichts gesagt, wie nach einem Schweigegelübde. Bild hat geschimpft, Kogel war unzufrieden. Doch von da an ging’s bergauf. Nach der dritten Ausgabe meinte Harald: »Jetzt fliegt das Ding.« Und das Ding flog. Die Sportler haben uns überrannt, um wenigstens im Publikum sitzen zu dürfen, da herrschte Schwarzmarkt!
Das waren wunderbare zwei Wochen mit Harald abends vor der Kamera und danach im Kufenstüberl. Für ihn war das eine Mischung aus Kindergeburtstag und Skilager. Er konnte ins Olympische Dorf, er war an der Bobbahn und hat gezeigt, was man als Zuschauer beim Bobfahren sieht, nämlich gar nix, ffffffft. Der ORF hat an unserem Ösi-Tag mit einem eigenen Kamerateam berichtet, wie die österreichischen Olympiasieger Michaela »Dorfi« Dorfmeister, Thomas »Morgi« Morgenstern und Benjamin »Benni« Raich Audienz bei Harald »Harry« Schmidt hatten und dabei fast aufgeregter waren als bei ihren eigenen Wettbewerben.
Bei allem Spaß gab es für mich einen Wermutstropfen, einen ganz großen sogar. Harald verkündete nämlich schon in Turin: »Waldi, ich sag’s dir gleich, Fußball mache ich nicht mit.« Tiefschlag. Mist. Natürlich wollte die ARD auch für die Fußball- WM im Sommer 2006 in Deutschland Waldi und Harry . Und natürlich wollte auch ich Waldi und Harry . Aber Harald hatte recht: »Wenn bei Winterolympia ein Deutscher Gold gewinnt, haben wir ihn abends im Studio, gar kein Problem. Aber wenn bei der WM Ronaldinho oder Miro Klose ein Traumtor schießen, kommen die trotzdem nicht zu uns ins Studio. Stattdessen haben wir Ente Lippens und Bert van Marwijk als Experten für Holland zu Gast. Das will nachts um halb zwölf keine Sau sehen.« So eine Fußball- WM ist im Vergleich zum kuscheligen Winterolympia eine ganz andere Welt. Und nur über die Sportler zu reden, aber nicht mit ihnen, fand Harald langweilig. Das wollte er kategorisch nicht. Habe ich verstanden, hat aber trotzdem dazu geführt, dass ich für die WM ohne Sendung dastand.
Trotzdem: Herrlich war’s in Turin. Aber danach kam ich heim und dachte mir: Waldi, jetzt spielst du nicht mehr mit. Du bist draußen. Die WM im eigenen Land findet ohne dich statt. Die regierungsamtlichen Bundestrainerinterviews mit Jürgen Klinsmann machte ja mittlerweile Monica Lierhaus. Also habe ich überlegt: Wie komm ich trotzdem zur WM ? Und dann hatte ich die Idee, den Doppelpass zu ärgern und Waldis WM -Club zu erfinden. Also habe ich Faßbender angerufen und ihm gesagt: »Heribert, das kann doch nicht sein, dass ein Sender wie das D SF , das keine WM -Rechte hat, so einen WM -Talk macht. Und wir als WM -Sender schenken das her.« Meine Idee war: Lass uns doch nach der DFB -Pressekonferenz am Mittag, die damals zum ersten Mal live übertragen wurde, noch eine halbe Stunde über die WM quasseln.
Von dem Vorschlag habe ich Harald erzählt, und er meinte: »Okay, dann schau ich ein paarmal vorbei und mach dir den Lattek.« Udo war damals noch der Haus-und-Hof-Experte beim D SF - Doppelpass . Und als ich Faßbender erzählt habe, dass unser anstaltseigener Hausheiliger mitmachen würde, gingen plötzlich alle Türen auf, denn den Schmidt-Lattek wollten sie sich natürlich nicht entgehen lassen. So wurde Waldis Club geboren – mit kräftigem Anschub von Dr. Günter Struve.
Und so hat sich mit Harald, wie ich immer sage, eine »gefühlte Freundschaft« entwickelt. Auf diesen Begriff haben wir uns geeinigt, denn ich bin mit dem Begriff »Freund« sehr vorsichtig. Auch Schmidt lässt ja niemanden wirklich an sich ran. Meine Frau hat mal zu mir gesagt: »Wenn du mit mir telefonierst, ist in eineinhalb Minuten alles erledigt. Alles klar, zack, bumm, aufgelegt. Aber wenn du mit dem Langen telefonierst und es dir auf der Couch gemütlich machst, sind zwanzig Minuten das Minimum. Wenn er eine Frau wäre, wäre ich eifersüchtig.« Und über was haben wir am Telefon oder an der Hotelbar gesprochen? Auch über Privates – aber meistens haben wir über unsere Branche hergezogen, und darin ist Harald nicht zu übertreffen.
Trotzdem
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